Intimitaet und Verlangen
Kulturen noch heute) habe man Sex für eine isolierte und folgenlose Aktivität von Paaren gehalten, die Befruchtung hingegen für einen Vorgang, an dem nur die Götter und die Frauen beteiligt seien. Als dann das gespiegelte Selbstempfinden des Mannes erkannt habe, dass er der Erzeuger der Babys sei, so Tannahill, sei die Rolle der Frau bei der Fortpflanzung vom Zentrum in die Peripherie gerückt, und Männer und Frauen seien fortan nicht mehr als gleichwertige Partner gesehen worden, die jeweils ihren speziellen Beitrag leisteten, sondern die Frauen wurden zur »Erde«, in die Männer einen vollständigen »Samen« pflanzten. 12 Aufgrund dieser Sichtweise sonnte sich das gespiegelte Selbstempfinden des Mannes im Glanze seiner Frau und seines Kindes. 13
Bedauerlicherweise kam etwa zur gleichen Zeit wie »mein Sohn« auch der »Hahnrei« in die Welt. Männer fingen an, die Sexualität von Frauen zu kontrollieren, weil diese nicht nur mit der Weitergabe ihrer DNS, sondern auch mit dem, was im Kopf des Mannes vor sich ging, Schindluder treiben konnten.
Vaterschaft
Vaterschaft ist die andere Seite von dem, was Helen Fisher den »Sex-Kontrakt« genannt hat: Frauen erlangten die Fähigkeit zu multiplen Orgasmen, waren fortan das ganze Jahr über an Sex interessiert und nutzten diese Fähigkeit aufgrund ihrer Freiheit, Sexualpartner nach Belieben zu wählen, um sich mit Männern zupaaren, die bereit waren, sich auf eine Paarbindung einzulassen und sich an der Aufzucht des Nachwuchses zu beteiligen. »Papa« tauchte in der Welt des Homo sapiens auf, und Tausende von Jahren später feiern wir den Vatertag.
Unglücklicherweise verwandelte das gespiegelte Selbstempfinden des Vaters die Vaterschaft in das Patriarchat.
Funktionsübertragung
Die Unterwerfung der Frauen veranschaulicht den Prozess der Funktionsübertragung. Das Selbstempfinden des Mannes wurde künstlich verstärkt und das der Frau dementsprechend unterdrückt. Die Keuschheit der Frau wurde deshalb wichtig, weil das gespiegelte Selbstempfinden des Mannes beeinträchtigt und auÃerdem die Bedeutung der Vaterrolle untergraben wurde, wenn sie mit anderen Männern sexuell verkehrte. Die so etablierten unterschiedlichen MaÃstäbe für Männer und Frauen gaben den Männern das, was viele von ihnen wollten: sexuelle Abwechslung für sich selbst und einen AusschlieÃlichkeitsanspruch auf Sex mit ihrer festen Partnerin.
Frauen werden seit mindestens 10000 (möglicherweise sogar Millionen) Jahren mehr oder minder nachdrücklich dazu angehalten, das gespiegelte Selbstempfinden der Männer zu unterstützen. Dies gelangte in dem Umstand zum Ausdruck, dass sie sich damit abfanden, beim Geschlechtsakt unter den Männern zu liegen und sich somit »unter-legen« zu geben, um das Ego der Männer und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Dieses Phänomen existiert auf der ganzen Welt. Doch obwohl Frauen sich schon so lange so verhalten, haben sie bisher noch keinen Gefallen daran gefunden. Ihr instinktives Aufbegehren gegen tyrannische Bestrebungen äuÃerte sich immer wieder.
Aber auch Frauen nutzen den Mechanismus der Funktionsübertragung. Sie neigen dazu, Männer von hohem Status, Mächtige, Reiche und Einflussreiche zu ehelichen â oder Affären mit ihnen zu haben. Im Sinne Darwins vergröÃern sie dadurch die Chancen ihrer Gene, in nachfolgenden Generationen zu überleben. In Wahrheit jedoch beginnen Frauen Affären, weil sie diese mögen , und sie bevorzugen wohlhabende und einflussreiche Männer, die ihr gespiegeltes Selbstempfinden in vielerlei Hinsicht stärken.
Monogamie ist kein Versprechen
In Kapitel 5 wurde Intimität als ein machtvolles System beschrieben, das in der Ehe wirksam ist und in starkem MaÃe das Verlangen beeinflusst. Nun werden wir uns in ähnlicher Weise mit der Monogamie befassen. Auch Monogamie kann sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Bei der Auseinandersetzung mit ihr werden wir das sexuelle Verlangen, das verpflichtende Engagement im Rahmen einer Beziehung und die Weigerung, sich tyrannischen Tendenzen zu unterwerfen, im Blick behalten.
Monogamie ist nicht nur ein Versprechen oder eine Verpflichtung, sondern ein System , genau wie Intimität. Und da sich alle Systeme verändern, fungiert die Monogamie je nach Art der darin wirksamen individuellen Tendenzen, in
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