Intimitaet und Verlangen
Jahren vereinbart, an unserem Sexualleben zu arbeiten!«, erwiderte Karen.
Julian und Karen hatten sich so aufeinander eingeschossen, dass sie meine Anwesenheit fast vergaÃen. Er war in der Angreiferrolle, sie die Verteidigerin. Offensichtlich hatten sie diesen Dialog schon oft durchgespielt. Dies war ein wunderbares Beispiel für eine Pattsituation, aber beide waren zu stark darauf fixiert, um dies zu merken.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass du das getan hast!«, donnerte Julian Karen an.
»Es ist doch völlig normal, dass man Sex will«, parierte sie den Vorwurf. »AuÃerdem habe ich gehört, dass Monogamie nicht unserem Wesen entspricht. Alle vögeln doch herum, wo sie können. Mach doch nicht so ein Ding daraus.«
»Ich kann aber nicht darüber hinwegkommen. SchlieÃlich habe nicht ich herumgevögelt, sondern du!«
»Und zwar weil du es nicht mit mir getan hast!«
Julian wendete sich nun mir zu: »Sagen Sie es ihr, Doktor. Machen Sie ihr klar, dass nicht jeder einfach herumvögelt.«
Karen nahm Julians Herausforderung auf: »Nein, Doktor, sagen Sie ihm, dass Monogamie nicht natürlich ist. Und sagen Sie ihm auch, dass es nicht normal ist, nie mit der eigenen Frau zu schlafen!«
Ich schwieg einen Augenblick, um die Spannung ein wenig abklingen zu lassen. SchlieÃlich sagte ich: »Ich nehme an, Sie wollen Ihren Streit nicht durch Tatsachen verderben. Was sich zwischen Ihnen abspielt, hat eine Menge mit dermenschlichen Natur zu tun, aber Ihnen ist es offenbar wichtiger, aufeinander loszugehen, als sich damit auseinanderzusetzen, was zwischen Ihnen im Gange ist.«
Es wäre sinnlos gewesen, konkreter zu werden, solange Karens und Julians Emotionen so hohe Wellen schlugen. Deren Intensität in Verbindung mit dem, was sie sagten, zeigte überdeutlich, dass sie in einem Zustand emotionaler Verschmelzung und der Funktionsübertragung lebten. Zumindest einer von uns dreien lernte durch ihre Therapie etwas.
Karens und Julians Geschichte
Karen, die Partnerin mit dem stärkeren Verlangen, verkaufte sehr erfolgreich Maschinen für GroÃunternehmen. Julian, der Partner mit dem schwächeren Verlangen, lehrte an einer privaten Highschool Mathematik. Er war der Haupternährer der Familie gewesen, bis Karen wieder in ihren Beruf zurückgekehrt war, nachdem ihre beiden Kinder auf die Highschool gewechselt waren. Karens beruflicher Erfolg hatte beide sehr überrascht.
Karen war immer stärker an Sex interessiert gewesen als Julian, hatte sich aber lange zurückgehalten, weil sie Julian nicht verängstigen und sich nicht blamieren wollte. Julian kämpfte beim Sex seit langem mit dem Problem, dass er den Orgasmus zu schnell (innerhalb von zwei Minuten) erreichte. Er weigerte sich jedoch standhaft, sich damit auseinanderzusetzen, und nachdem Karen ihn zehn Jahre lang immer wieder vorsichtig aufgefordert hatte, sich darum zu kümmern, hatte sie ihm schlieÃlich direkt erklärt, dass sie sich von ihm scheiden lassen werde, wenn er nicht in die Gänge komme. Daraufhin hatte Julian zugesagt, sich um eine Behandlung zu bemühen. Als Karen dann einen Termin bei einem Therapeuten vereinbart hatte, hatte Julian Ausflüchte gesucht, und so war es nie zu einer Behandlung gekommen. Das war vor fünf Jahren gewesen, und seither war zwischen den beiden in sexueller Hinsicht absolute Funkstille eingetreten. Karen hatte jedes Interesse an Sex mit Julian verloren, und beide lebten fast wie im Zölibat. Zu sexuellen Aktivitäten kam es zwischen ihnen nur noch ein paarmal im Jahr.
Karen war bei Julian geblieben, weil sie ihn und ihre beiden gemeinsamen Kinder liebte, doch Sex mit ihm war ihr verhasst. Sie konnte es einfach nicht mehr ertragen, dass sich alles, was passierte, nach seinem Problem mit zu schnellen Orgasmen richten musste, und völlig gegen den Strich ging ihr, dass Julian Sex wie eine Belohnung einzusetzen versuchte. Wenn sie ihn wegen anderer Beziehungsprobleme zur Rede stellte, war danach lange kein Sex möglich.
Obwohl Karen im Rahmen ihrer Ehe so gut wie gar nicht an Sex interessiertzu sein schien, war sie andererseits ständig intensiv mit Sex beschäftigt. Seit Beginn ihrer Adoleszenz hatte sie vier- bis fünfmal pro Woche masturbiert, und bevor sie Julian kennengelernt hatte, hatte sie sexuelle Beziehungen mit vielen Männern gehabt. Männer, die sie im Beruf kennenlernte, fanden sie sehr
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