Into the Deep - Herzgeflüster (Deutsche Ausgabe): Roman (German Edition)
»Warum? Warum hast du mit mir Schluss gemacht?«
Jake blickte abermals kurz zu Beck und Claudia und rutschte noch näher an mich heran. »Möchtest du jetzt darüber reden?«
»Ich muss wissen, ob du mir die Schuld an allem gegeben hast. Du hast gesagt, das wäre nicht so, aber …«
Er sah mich länger forschend an, als mir lieb war, und in seiner Miene flackerten Emotionen auf, die ich nicht verstand. Schließlich seufzte er tief und nickte. »Okay. Ja, ich habe dir die Schuld gegeben. Das war absurd und dumm, aber ich war wütend. Vor allem auf mich selbst, weil ich zugelassen hatte, dass dieser Mist mit Brett monatelang lief, so dass es schließlich zu diesem absolut tragischen Todesfall kam …« Er fluchte leise, und die Farbe wich aus seinen Wangen, als er fortfuhr: »Ich verspürte damals nur noch Wut. Aber auf mich selber sauer zu sein machte die Sache nicht besser … also entschied ich, sauer auf dich zu sein. Weil wir einander so nahestanden, habe ich unbewusst wohl geglaubt, dass du immer noch da bist, wenn meine Wut irgendwann mal verraucht wäre, und du mir vergeben würdest.« Er runzelte die Stirn. »Aber so ist es nicht gelaufen«, murmelte er.
Schweigend saßen wir einen Moment lang da, während ich versuchte, seine Worte zu verdauen. Einerseits schien seine Offenheit mir zu helfen. Andererseits auch nicht. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber jedenfalls nicht, dass ich noch genauso verwirrt war wie wenige Minuten zuvor.
»Jake, Mann, du sitzt auf meinem Platz.«
Wir zuckten beide zusammen. Lowe stand mit verschränkten Armen vor uns, ein geduldiges Lächeln umspielte seine Lippen.
Jake zeigte auf den leeren Platz auf der anderen Seite des Ganges. »Setz dich doch dahin.«
Lowe verzog das Gesicht. »Alter, ich habe Stunden damit zugebracht, meine Arschbacken in diesen Sitz zu drücken, damit er perfekt für mich geformt ist. Und jetzt soll ich das Ganze noch mal durchmachen?«
Jakes Miene verfinsterte sich, und er sah misstrauisch von Lowe zu mir. Mit einem ärgerlichen Knurren rutschte er von der Sitzbank und ließ Lowe neben mich.
Ich atmete erleichtert auf.
Die angespannte Atmosphäre zwischen Jake und mir war wie eine Schnur, die von meiner Brust zu seiner reichte. Trotz des Ganges zwischen uns zog diese Schnur während der nächsten Stunden schmerzhaft an mir. Wie benommen sah ich draußen weiterhin Schottland vorbeiziehen und fragte mich, wie zur Hölle ich die drei Nächte mit Jake in nächster Nähe überstehen sollte.
Das besorgte Brummen in meinem Kopf wurde nur kurz unterbrochen, als Claudia etwa dreißig Minuten vor Fort William plötzlich kreischte: »O mein Gott!«
»Was ist?«, fragte ich erschrocken. Mit leuchtenden Augen schaute sie auf das tiefe Tal unter uns.
»Verflucht!«, rief sie.
Ich zuckte genauso zusammen wie die anderen und etwa die Hälfte der weiteren Fahrgäste im Waggon. »Was ist?«
Sie senkte den Kopf über ihr Tablet und tippte rasch etwas auf dem Bildschirm ein. Zwei Sekunden später kreischte sie schon wieder auf.
»Himmel«, stöhnte Beck und hielt sich schützend die Hand ans Ohr.
»Was zum Teufel ist denn los?«, fragte ich, weil ich plötzlich Angst bekam, man könnte uns aus dem Zug werfen.
Aber Claudia grinste mich nur an wie ein Kind. »Wir sind auf dem Harry-Potter-Viadukt, über das der Hogwarts Express fährt!«
Damit hatte ich nun nicht gerechnet, presste jedoch aufgeregt meine Stirn an die Scheibe. Ich erkannte die Landschaft sofort wieder und lächelte. »Mann, ist das cool.«
»Absolut«, stimmte Lowe zu und lächelte ebenfalls.
»Hilfe!« Claudia schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ihre Augen waren groß und todernst. »Bringen die uns etwa nach Hogwarts?«
Wir starrten sie schweigend an, mussten die Frage erst einmal verarbeiten. Und dann begannen alle zu lachen, nicht nur unsere Clique, sondern sämtliche Leute, die die Frage gehört hatten.
Als Claudia klar wurde, wie albern ihre Frage gewesen war, lief sie rot an. Beck nahm sie schmunzelnd in den Arm, zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. »Wenn ich aufgeregt bin, schaltet sich mein Gehirn ab«, murmelte Claudia und zog die Mundwinkel hoch, was mir verriet, dass sie unser Lachen mit Humor nahm.
Als wir in Fort William ankamen, hatte ich den Schmerz in meiner Brust beinahe vergessen. Aber sobald wir auf den Bahnsteig traten und die frische, kalte Luft einatmeten, sah ich zu Jake. Unsere Blicke trafen sich, und mir nichts, dir nichts war der
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