Intruder 2
ebenso gut ein Traum hätte sein können.
»Ja«, sagte Stefan. »Aber offensichtlich schon vor längerer Zeit. Auf den Kopf. Und ziemlich hart.«
Mike verstand auch das nicht ganz, aber Frank schoss einen zornigen Blick in seine Richtung ab. Stefan erwiderte ihn gelassen. Nach einer Sekunde sprang er mit einem Ruck auf und drehte sich um.
»Ich kümmere mich um deine Maschine«, sagte er böse.
»Allmählich kriege ich ja Übung darin.«
»Was war denn los?«, fragte Frank. Irgendwo lag auch Zorn in seinen Augen, aber er war nicht so verletzend wie der Stefans. »Ich bin fast gestorben vor Angst. Was ist denn in dich gefahren? Wolltest du dich umbringen?«
Mike arbeitete sich mühsam in eine halb sitzende Position hoch. Erneut begannen sich Himmel und Erde um ihn zu drehen, aber diesmal war es nur ein ganz normales Schwindelge-fühl.
»Ich ... weiß es nicht«, sagte er stockend. »Ich dachte, ich schaffe es.«
»Das hast du auch«, bestätigte Frank. »Du hast es überlebt.
Und du hast mir fast zu einem Herzinfarkt verholfen. Und Stefan übrigens auch - auch wenn er es nicht zugibt. Was war los? Hattest du einen Blackout, oder bist du einfach nur durchgeknallt? Das war reiner Selbstmord!«
»War es nicht.« Mike stand auf. Ihm war immer noch schwindelig. Er wankte und musste einen hastigen Schritt zur Seite machen, um nicht gleich wieder auf die Nase zu fallen.
Diesmal rührte Frank keinen Finger, um ihm zu helfen.
»Vielleicht ist dir ja das Wort Schwachsinn lieber«, sagte er.
»Sag mal, was ist eigentlich ... ?«
»Ich weiß es nicht!«, unterbrach ihn Mike, leise, aber in scharfem Tonfall. »Verdammt noch mal, ja, ich weiß, dass es Wahnsinn war! Aber ich weiß nicht, warum ich es getan habe.
Bitte frag mich nicht!«
»Doch«, antwortete Frank. »Das werde ich. Aber nicht jetzt.
Später, wenn du wieder halbwegs bei Sinnen bist. Wie fühlst du dich?«
»Nennst du das später?«
»Körperlich«, sagte Frank. »Kannst du fahren? Dein Knie blutet.«
»Darin habe ich Übung.« Der Scherz ging daneben. Mike machte eine abwiegelnde Handbewegung und sagte: »Es ist wirklich nur eine Schramme. Das nächste Mal ziehe ich Knie-schoner an.«
»Dann sollten wir weiterfahren«, sagte Frank, ohne auf Mikes untauglichen Versuch einzugehen, die Situation mit einem Scherz zu entspannen. »Kannst du das?«
»Ja«, antwortete Mike.
»Deine Maschine auch«, sagte Stefan. Er hatte die Intruder mittlerweile aufgerichtet und schob sie ächzend auf die Straße, damit der Ständer nicht im weichen Boden einsank und sie gleich wieder umfiel. »Sie scheint nichts abgekriegt zu haben, auch wenn ich es kaum glauben kann. Weißt du eigentlich, dass du mehr Glück als Verstand hast?«
»So viel Glück war es nun auch wieder nicht«, sagte Mike.
»Wie willst du es denn sonst nennen? Fahrerisches Können vielleicht?« Stefan kippte die Maschine auf den Ständer, nahm den Gang heraus und drückte auf den Starter. Der Motor sprang sofort an, stotterte zweimal und lief dann rund. »Unglaublich«, murmelte er. »Ich sage nie wieder was gegen japanische Motorräder.«
»Kannst du wirklich weiterfahren?« Frank sah Mike durchdringend an, wartete eine Sekunde vergeblich auf eine Antwort und drehte sich schließlich mit einem Achselzucken um. Er machte jedoch nur einen Schritt, dann blieb er wieder stehen, ging in die Hocke und grub einen Moment mit den Fingern im Gras.
»Hey!«, sagte er. »Seht mal, was ich gefunden habe!«
Stefan wandte fast gelangweilt den Blick und sah auf Franks Hand hinab. »Interessant«, sagte er. »Aber so spannend nun auch wieder nicht. Die Dinger liegen hier überall rum. Wir sind auf Indianerland.«
Mike sagte nichts. Er starrte Franks Hand an, und sein Herz begann wie rasend zu hämmern.
Was Frank aus dem Gras aufgehoben hatte, war eine Pfeilspitze. Eine uralte, aus Feuerstein geschnitzte Pfeilspitze.
Sie brauchten noch eine gute Stunde bis zur Abzweigung in Richtung Navajo Indian Reservation, und eine weitere halbe Stunde, um Arizona zu verlassen und in die Sicherheit des Mormonenstaats Utah zu gelangen; deutlich länger, als Stefan prophezeit hatte, aber nicht annähernd so lang, wie es Mike vorkam.
Als sich ihr Benzin dem Ende zuneigte, gab Stefan das ver-einbarte Zeichen, an der nächsten Tankstelle Halt zu machen.
Ihr Sprit reichte vielleicht noch für zwanzig Meilen; mehr als genug für deutsche Verhältnisse, aber auf den scheinbar endlo-sen Interstates hier schon gefährlich knapp.
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