Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aufkommen lässt, dass er noch viel, viel schlimmer werden kann - und zwar sehr schnell. Sein Atem bildete kleine Dampfwölkchen vor dem Gesicht, und er ertappte sich dabei, wie er sich ernsthaft die Gluthitze des Morgens zurückwünschte.
    »Na ja«, murmelte Stefan.
    So knapp dieser Kommentar auch war, beschrieb er doch treffend, was sie alle drei fühlten. Wie um sich ein letztes Mal aufzubäumen, war das Tageslicht hier an der höchsten Stelle des Passes, noch einmal zurückgekehrt. Die Berggipfel, die mindestens weitere tausend Meter beiderseits der Straße in die Höhe ragten, waren so klar zu erkennen wie auf einer dreidi-mensionalen Meisterfotografie: schneegekrönte Giganten, die auf die drei winzigen Menschengestalten auf ihren lächerlichen Fahrmaschinen herabblickten und noch nicht ganz schlüssig zu sein schienen, ob sie sich über sie amüsieren oder sie mit einem Fingerschnippen vernichten sollten. Dafür war die Straße unter ihnen verschwunden. Die dichte, schneegefüllte Wolkendecke, die den Blick auf die Berggipfel bisher verwehrt hatte, hatte sich auf die Erde herabgesenkt.

    95
    Einen Moment später begriff Mike, dass dem ganz und gar nicht so war. Vielmehr waren sie in die Wolken hineingefahren. Voller Entsetzen wurde ihm klar, wie hoch sie mittlerweile im Gebirge waren. Was hatte der Mensch aus dem Reisebüro gesagt? Dreitausend Meter? Die Zahl klang so harmlos - es sei denn, man hatte sie in Meilen unter sich.
    Oder vor sich. Die graue Wand, die vor und unter ihnen waberte und wogte, konnte alles Mögliche sein, von bloßer Dämmerung bis hin zu einem ausgewachsenen Schneesturm.
    Nun, was immer es war: Es machte Mike Angst. Sehr große Angst.
    »Und jetzt?«, fragte er.
    »Was schon?«, erwiderte Stefan. »Auf sie mit Gebrüll, würde ich sagen.«
    »Noch können wir umkehren«, sagte Mike leise.
    »Nee, können wir nicht«, antwortete Frank. »Dreh dich mal um.«
    Mike gehorchte - und erschrak erneut.
    Der Anblick hinter ihnen unterschied sich nicht von dem vor ihnen - mit dem einzigen Unterschied, dass hinter ihnen tatsächlich ein Schneesturm tobte. Der Pass ragte aus den Wolken wie der Rücken eines Wales aus trübem Wasser, in dessen Tiefen unbekannte, aber gefährliche Ungeheuer lauerten.
    Ohne ein weiteres Wort rammte Stefan den Gang hinein und fuhr los. Mike und Frank folgten ihm, nicht hinter- sondern diesmal nebeneinander und in dichterem Abstand, als vielleicht gut war.
    Mikes Herz begann immer heftiger zu klopfen, je mehr sie sich der brodelnden grauen Wand näherten. Er versuchte sich damit zu beruhigen, dass es eigentlich niemals so schlimm kam, wie man es sich in seinen schlimmsten Träumen ausmal-te, und damit hatte er vermutlich Recht.
    Aber das bedeutete keinesfalls, dass sie eine Spazierfahrt vor 96
    sich hatten.
    Zuerst erlosch das Licht.
    Als sie in die Nebelwand eintauchten, schien sich das schwindende Tageslicht einfach zu zerstreuen, sodass es nunmehr aus allen Richtungen zugleich kam, selbst von unten, dabei zugleich aber auch den Großteil seiner Leuchtkraft einbüßte. Plötzlich war es unmöglich, Entfernungen zu bestimmen. Frank wurde zu einem bloßen Schemen, irgendwo neben ihm, ohne dass Mike sagen konnte, wie weit er von ihm weg war. Selbst das Dröhnen der Motoren veränderte sich und schien nun genau wie das Licht aus allen Richtungen zugleich zu kommen. Es war, als wären sie in ein fremdes Universum eingedrungen, dessen andersartigen Naturgesetze keine Dreidi-mensionalität kannten. Stefans Gestalt reduzierte sich zu einem pulsierenden roten Schein, mit dem sein Rücklicht vor ihnen durch den wirbelnden Schnee und das Grau tanzte.
    Und so wenig wie für Entfernungen, Richtungen und Geräusche schien in diesem Universum Platz für Zeit zu sein.
    Vielleicht vergingen nur Sekunden, vielleicht Ewigkeiten, in denen sie hinter- und nebeneinander durch das Schneegestöber fuhren. Die Luft war mittlerweile so kalt, dass es wehtat, sie einzuatmen. Das Schneegestöber hatte sich in einen ausgewachsenen Blizzard verwandelt. Nur die Tatsache, dass der heftige Wind den Schnee daran hinderte, liegen zu bleiben und die abschüssige Straße in eine Rutschbahn zu verwandeln, bewahrte Mike davor, die Gewalt über das Motorrad zu verlieren und zu stürzen.
    Und wieder war es Stefan, der sie zum zweiten Mal an diesem Tag in eine gefährliche Situation brachte. Diesmal war es jedoch ganz eindeutig nicht seine Schuld.
    Sie fuhren - realistisch betrachtet, falls es in dieser

Weitere Kostenlose Bücher