Intrusion
als Erster. Er keuchte und presste eine Hand auf sein Herz. »Du meine Güte!«, wisperte er. »Ich finde, Slythe …« Er schluckte mühsam und setzte erneut zum Sprechen an. »Ich finde, es hat etwas sehr Verlockendes, wie dieses Gewand fällt.«
»Ich schlage vor, dass Ihr den Blick abwendet, Euer Gnaden«, sagte Slythe und erhob sich von seinem Sitz.
»Ich bin der Herzog, verdammt noch mal, Slythe!« Julius versuchte, hastig wieder seine Pose einzunehmen, und scheiterte nach einem halben Dutzend Versuchen. Mit einem frustrierten Armrudern ließ er sich in die weichen Lederpolster sinken und stützte das Kinn in eine Hand. »Ich bin nervös, Ray.«
»Und was soll ich dagegen tun, Julius?«
»Ray! Schluss jetzt mit diesem verbitterten Tonfall! Ich verstehe ja, dass du gereizt bist! Die Sache mit deinen Beinen und dann dieser Streich, den ich dir letzte Nacht gespielt habe, aber …« Er keuchte und krallte seine Finger in Raydons Hemd. »Oohh, seht sie euch an! Ray! Ray, so hör mir doch zu! Ich finde ihr langes Haar irgendwie beruhigend.«
»Das freut mich für Euch.«
»Ah! Mit diesem Sarkasmus erreichst du gar nichts, Ray. Und …« Die Stimme des Herzogs wurde plötzlich heiser, und Panik schlich sich in seine Worte. »Ray! Ray! Slythe! Was ist denn mit meinem Schwanz los?«
Eine kleine Erhebung beulte seine Toga aus. Julius fuchtelte mit den Fingern in der Luft herum. »Was wird das denn? Was will er? Was macht er da?«
Raydon wandte unbehaglich den Blick ab. »Äh, ist Euch das noch nie zuvor passiert, Julius?«
»Nein, warum sollte es?«, fauchte Julius. »Was ist los? Bin ich krank?« Der Wagen hielt neben Charm. »Wir werden uns vermählen«, verkündete Julius. »Sobald ich von dieser lästigen Krankheit genesen bin. Ich glaube, man hat mich vergiftet. Verdammt, Slythe! Verrat käme dir nie in den Sinn, was?«
Licht explodierte, gleißend hell. »Still!«, zischte Charm den Herzog an.
Der Herzog sackte mit verklärter Miene auf seinem Sitz zusammen. Raydon schloss die Augen und sank in die weichen Lederkissen. Slythe, verblüfft über ihre Kühnheit, hielt ein Wurfmesser in der Hand.
Charm konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Schönheit hatte ihre Erschöpfung überlagert. Er lockerte seine Finger um den Dolchgriff und betrachtete sie verwundert. Krankheit, Schmerz, Trauer, ja selbst den Augenblick des Todes würde sie hinter der gleichen Maske verbergen wie Gehässigkeit und List, Böse und Gut. Nie kam sie selbst zum Vorschein. »Wirf einen Blick nach links«, sagte sie und zeigte hin. Er starrte in die Richtung ihres ausgestreckten Fingers und sah die unnatürliche Fährte des Grauens, die tief in den Wald hineinführte. Fast glaubte er die Umrisse seines Körpers zu erkennen. Slythe sah Charm mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher stammen diese Spuren?«
Sie erzählte ihm vom Grauen, von seiner Geburt, seinem Schöpfer. Er hörte aufmerksam zu. »Beschreibe das Ding«, sagte er nur. »Seine Bewegungen, seine Laute.« Als sie fertig war, fragte er: »Weiß sonst noch jemand, dass dies Muses Werk ist? Mira? Torak?«
»Torak. Ich verriet es ihm. Und er wurde Zeuge, wie es letzte Nacht den Traum verschlang.«
»Ich verstehe.« Slythe trommelte mit den Fingern auf dem Griff seines Wurfmessers herum. Er rief sich in Erinnerung, wie unruhig der Ratgeber des Herzogs durch das Schloss gewandert war. Der Mann hatte es kaum erwarten können, dass Julius endlich aufbrach – und dass er Slythe mitnahm. Jetzt kannte er den Grund. »Danke«, sagte er zu Charm. »Du hast mir einen großen Gefallen erwiesen. Niemand sonst darf davon erfahren. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
Sie musterte ihn argwöhnisch. »Ja.«
»Ich weiß. Ich werde dir helfen.« Er stieß ihr die Klinge mitten ins Herz. Sie starb mit einem schwachen Seufzer. Ihre Augäpfel rollten nach hinten, und für den Bruchteil einer Sekunde flammte ein gleißender Blitz auf. Dann war alles vorbei. Slythe genoss die einzigartige Schönheit ihres Dahinscheidens. Er empfand es als eine Ehre, dass er die letzten Augenblicke ihres Lebens mit ihr teilen durfte, als wäre dies ein Versprechen, das sie ihm vor langer Zeit gegeben und endlich erfüllt habe. Er schloss ihren Seufzer in den Schatz seiner Erinnerungen ein, zusammen mit dem Bild ihres Körpers, der langsam zu Boden glitt.
Er sprang vom Wagen und schleifte die Tote außer Sicht, ehe der Herzog zu sich kam. Dann lief er schnell wie der Wind zu Muses Haus.
Es
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