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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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dauerte eine Weile, bis ihre schwache Aura erloschen war. Was blieb, war eine vertrocknete Hülle, die rasch zerbröckelte. Dunkler Rauch stieg in kleinen Wölkchen auf, begleitet von einem grässlichen Verwesungsgestank. Ein aufmerksamer Beobachter hätte ein paar Lichtsplitter entdeckt, die über der fauligen Masse tanzten, wie ein Mahnmal für den falschen Schein der Schönheit, den das Auge meist nicht zu durchdringen vermag.
    Doch der Zufall wollte es, dass niemand auf Charms Überreste stieß, bis sie vollständig zerfallen waren wie eine in Vergessenheit geratene Erinnerung.
    Muse spürte die scharfe Schneide eines Messers an ihrer Kehle. Der Meuchelmörder war lautlos in ihr Haus eingedrungen. »Komm mit!«, raunte er ihr ins Ohr.
    »Ist es so weit, ja?«, fragte sie und erhob sich mit einem Seufzer. »Und das alles nur, weil ich als Mutter versagte. Weißt du wenigstens, wen und was du in Wahrheit tötest?«
    »Komm mit!«
    »Ich bin nur überrascht, dass ich das nie vorhersah. Das ist alles.« Sie ließ den Pinsel vor ihre Füße fallen. Ein roter Klecks zeigte sich auf den Dielenbrettern. Slythe schob sie durch die Hintertür des Hauses ins Freie. »Beeil dich«, sagte er und zerrte sie hoch, als sie stolperte.
    Der Hinterhof ging in einen steil ansteigenden Hügel über, auf dessen Kuppe sich verschieden große steinerne Obelisken erhoben. Dahinter breitete sich meilenweit ödes Buschland aus, durchsetzt von Felsbrocken und kleinen Klippen. Im Norden türmte sich das Vergessen wie eine erstarrte Meereswoge von unheilvollem Ausmaß. Slythe sah den grauen Wall und schüttelte den Kopf.
    Er ging in die Hocke, zerrte Muse zu sich herab und deutete auf das Haus unten. »Sie müssten jede Minute anrücken«, sagte er. »Zumindest waren sie ganz nahe, als ich mich an ihnen vorbeischlich. Sie glauben, du seist noch da drinnen.«
    »Wer?«
    »Das wirst du gleich sehen!«
    Es verging eine Minute wachsamen Schweigens. Dann zerriss der erste Panzer die Stille mit einem Knall, der lauter als Donner widerhallte. Muse hatte keine Ahnung, was der Lärm bedeutete, bis ihr Haus in Schutt und glimmende Asche zusammenfiel. Auf der Rasenfläche des Vorgartens standen zwei Panzer mit rauchenden Kanonenrohren. Torak saß auf dem größeren der beiden Ungetüme, das die Form eines Drachen mit gespreizten goldenen Schwingen hatte, und brüllte Befehle. Er hatte sich passend zu seinem Gefährt mit einem reich verschnörkelten Helm ausstaffiert. Die Panzer rollten langsam rückwärts, den Fuß des Hügels hinunter.
    »Dafür schuldest du mir einen Gefallen«, sagte Slythe. Er ließ Muse los, sobald die Panzer außer Sicht waren. »Erzähl mir mehr über dieses Ding, das du erschaffen hast. Warum? Warum willst du alles vernichten, was noch übrig ist?«
    »Das will ich doch gar nicht.« Sie tastete die Stelle ab, wo die Klinge ihre Kehle berührt hatte. »Ich erweckte etwas, das bereits existierte. So wie ich dich erweckte. Dich, Aden und Charm. Dazu andere, deren Gesichter du nicht kennst und die sich vor dir an geheimen Orten verstecken. Oder jene, denen du den Tod brachtest. Früher verlieh ich weit schlimmeren Mördern Gestalt, als du es je warst oder sein wirst.«
    »Hatte Aden also doch recht«, murmelte Slythe. »Abbilder anderer Dinge. Schatten. Spiegelungen.« Er lachte. »Nun gut. Und was war diese neueste Schöpfung von dir? Bevor du sie ins Dasein riefst?«
    Sie deutete auf die glasig erstarrte Woge am Horizont. »Das da. Das sogenannte Vergessen. Ich habe keine Ahnung, was das ist. Ich weiß nur, dass es vernichtet. Dass man es nicht aufhalten kann. Eine Art Krankheit, die das Herz oder Gehirn unseres Schöpfers zerfrisst. Als das Gemälde, das du meinst, in den Wäldern zum Leben erwachte, stand der Wall eine Weile still. Ich kaufte uns Zeit. Warum ich das tat, weiß ich nicht. Ich habe dieses Dasein so satt.«
    »Dennoch warst du nicht bereit, aus dem Leben zu scheiden, als du dachtest, ich wollte dich töten.«
    »Es ist mir egal, ob du mich tötest oder nicht. Aber ich hasse Überraschungen.«
    »Du hast nie gesagt, was du bist, Muse.«
    »Nicht in deiner Gesellschaft, natürlich nicht. Ich bin ein Teil des Weltenmachers. Er ist krank, bekümmert, dem Tod nahe und jener anderen Welt überdrüssig. So wie ich dieser Welt überdrüssig bin. Egal. Bald ist alles vorbei.«
    »Eine andere Welt«, wiederholte Slythe. Er spuckte aus. »Bist du sicher, dass sich dieses Ding, das du ins Dasein holtest, nicht aufhalten

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