Intrusion
verbeulte Trucks; Männer zu Pferde (und auf anderen Reittieren, plumpen sechsbeinigen Geschöpfen mit niedriger Schulterhöhe und langem weißem Fell); gesattelte Riesenvögel, die Ähnlichkeit mit Straußen besaßen, aber vermutlich flugfähig waren, da sie viel größere Flügel hatten; dazu Leute auf Fahrrädern, die fröhlich ihre Klingeln betätigten. Die Kleidung der Menschen umspannte alle Epochen und Stile. Man sah mittelalterliche Bauernkittel neben Geschäftsanzügen, wobei Letztere alles andere als elegant wirkten, als wüssten ihre Träger nicht, wie man mit diesen Dingern Eindruck erweckte. Obwohl das plötzliche Erscheinen dieser bunt gemischten Schar nach Adens Ansicht kaum seltsamer war als er selbst – ein Toter, der unter Lebenden wandelte –, hatte es ihm doch einen Schock versetzt …
Er vermutete, dass die Straße in das geschäftige Zentrum einer größeren Stadt führte und dass die Bauern mit Karren und Körben dorthin unterwegs waren, um ihre Erzeugnisse feilzubieten. Kutscher und Fahrer der absonderlichsten Gefährte versuchten einander in dem zähen Verkehrsstrom zu überholen. Weiter hinten lieferten sich zwei von ihnen am Straßenrand ein Duell auf Leben und Tod, von belustigten Passanten durch gellende Pfiffe angefeuert und mit matschigem Obst beworfen. Verkehrsrowdytum war offenbar eine universelle Krankheit.
Ein kleines Fuhrwerk ratterte an Aden vorbei. Er sah zuoberst ein kleines, gerahmtes Bild seines Großvaters. Als er es an sich nahm, entdeckte er auf der Ladefläche ganze Stapel davon, die offenbar für einen Verkaufsstand mit Ramschware bestimmt waren. Er zeigte das Bild mehreren Fremden und erkundigte sich, ob sie den Mann kannten, den es darstellte. Die Antwort war in der Regel ein sarkastisches »Nein« oder ein ärgerliches »Was zum Henker soll die Frage?«.
Er erklärte einem älteren Mann, dass dieses Bild seinen Großvater darstellte. Der Mann lachte bitter und nannte ihn einen dreckigen Lügner. Fauliger Atem und ein Schwall von Spucketröpfchen schlugen Aden entgegen.
In diesem Moment erkor ihn ein etwa neunjähriger Junge zur Zielscheibe und bewarf ihn von der Ladefläche eines Lieferwagens mit einer weichen runden Frucht. Sie traf Aden an der Stirn und zerplatzte. Klebriger, säuerlicher Saft lief ihm über das Gesicht.
Aden rastete aus. »Jetzt reicht es aber, ihr Arschlöcher!«, brüllte er. Er bewaffnete sich mit Steinen und schleuderte sie nach jedem Gefährt in Reichweite, ohne zu merken, dass er dazu ein irres Lachen ausstieß. Er riss einen Gemüsekorb vom Lenker eines Fahrrads und verteilte den Inhalt auf der Fahrbahn.
Anfangs versuchten die meisten Fahrer, ihm auszuweichen. Einige stachelten ihn noch auf. Er kreischte schrill, um die Pferde scheu zu machen. Die blieben gelassen, aber die straußenähnlichen Vögel gerieten in Panik. Sie flogen mit lautem Gezeter davon, während ihre Reiter an den Zügeln zerrten und in der Luft Todesdrohungen ausstießen. Mehrere von Adens Steinen zerschmetterten Fahrzeugfenster oder trafen Reiter, die aus dem Sattel kippten.
Ein Mob rottete sich zusammen und stürmte mit Rechen, Messern und wütend gefletschten Zähnen auf ihn los. Aden sprang auf die hintere Stoßstange eines Trucks und schrie Schimpfwörter. Ringsum hagelte es Wurfgeschosse. Der Brummifahrer verlor die Nerven, stieg aufs Gas und schleuderte von der Fahrbahn auf den grasbewachsenen Seitenstreifen. Der Mob jagte hinterher. Jemand schlug Aden einen schweren Gegenstand auf den Hinterkopf. Es war eine Messingstatuette, die seinen Großvater in einer pompösen Robe auf einem Thron sitzend darstellte. Eher verblüfft als verletzt kippte er von der Stoßstange. Und mitten im Sturz überraschte ihn der Zeitstillstand. Seitdem hing er schräg über der Bankette, Auge in Auge mit der ebenfalls schwebenden Statuette von Herbert Keenan.
Eine Zeit lang herrschte vollkommene Erstarrung und Stille. Er konnte weder seinen Herzschlag hören noch die Augenlider bewegen. Dann näherten sich leichte Schritte. Ein Mann trat in sein Blickfeld, hager und streng. (Genau so, dachte Aden, mussten die Steuerprüfer dieser Welt aussehen, falls es auf dieser Welt Steuerprüfer geben sollte.)
Der Mann hielt in einer Hand ein Buch und in der anderen eine Stoppuhr. Er blieb an einer Stelle stehen, wo Aden nur noch seine glänzend gewichsten schwarzen Schuhe sehen konnte. Er hatte nicht gesehen, dass der Mann eine Silberpfeife aus seiner Tasche zog, doch der klare,
Weitere Kostenlose Bücher