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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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Blick auf welliges Weide- und Ackerland frei. Jenseits der Hügel stieg Kaminrauch in so dichten Schwaden zum Himmel, dass er den Eindruck eines Buschfeuers erweckte. Fernes Stimmengewirr und die Hektik eines Bauernmarktes drangen zu ihnen herüber.
    Raydons Geduld war erschöpft. Seine Gedanken kreisten längst nicht mehr um den abgebrochenen Federkiel. Stattdessen rückte er betont von Aden weg, obwohl das seinen Abstand zu Slythe verringerte. Er gab sich keine Mühe, seinen Ekel und seine Entrüstung zu verbergen. Seine Hängebacken zitterten empört, und sein Mund stand halb offen, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
    Julius drehte sich um und taxierte Aden zum zehnten Mal. »Er ist einigermaßen notleidend«, meinte er nachdenklich, »aber auch nicht mehr als das. Nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, Ray. Das gibt zu wenig für eine ergreifende Schilderung in der Chronik her, oder? Was würdest du denn schreiben? ›Seine Exzellenz bot dem Notleidenden huldvoll einen Platz in seinem Wagen an.‹ Gefällt mir eigentlich ganz gut. Aber sag, Ray, wie fühlst du dich neben einem Mann aus dem einfachen Volk?«
    »Wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt – ich würde ihn am liebsten von seinem Ledersitz stoßen und die Fahrt ohne ihn fortsetzen.«
    »Und ob ich die Wahrheit wissen will, Ray! Es macht mir solchen Spaß, dich zu drangsalieren.« Julius wandte sich Aden zu. »Wusstest du, dass mein Chronist unsterblich in meine Schwester Mira verliebt ist?« Raydon sog die Luft durch seine Zähne ein, dass es zischte. »Doch, das stimmt«, fuhr Julius fort. »Wenn ich mich nicht täusche, würde er sie gern zur Gemahlin nehmen und an ihrer Seite das Land regieren. Kannst du dir das vorstellen? Wie sollten wir ihn nennen? Lord Fettsack?«
    »Haltet endlich das Maul!«, schrie Raydon. Er war puterrot angelaufen.
    Julius klatschte entzückt in die Hände. »Das macht er immer so, wenn ich den Notleidenden erzähle, wie sehr er meine Schwester liebt«, sagte er zu Aden. »Ray, ich finde es so schön, dich bis zur Weißglut zu reizen.«
    »Maul halten!«
    »Ich denke nicht daran. Komm, Ray, beschimpfe mich richtig! Aber lass dir was Besseres als ›Maul halten!‹ einfallen!«
    Raydons Fäuste zitterten. Er schmetterte den Papierstapel zu Boden und sah zu, wie sich die Blätter überall verteilten. »Warum spielt Ihr nicht auf Eurer Harfe, Julius?«
    Julius grinste. »Ich weiß es nicht, Ray. Warum spiele ich nicht auf meiner Harfe?«
    »Weil Ihr sie in einem Wutanfall zerbrochen habt!«
    »Echt? Aber warum sollte ich denn so was tun?«
    »Vielleicht, weil Euer Spiel …«
    »Sprich ruhig weiter, Ray!«
    »Weil Euer Spiel wie das Wimmern von liebestollen Katern klang. Wie das schmerzerfüllte Wimmern von liebestollen Katern kurz vor ihrem Tod.«
    Julius lachte so sehr, dass sein ganzer Körper in Bewegung geriet. Er musste sich am gläsernen Geländer festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »O Ray! Nun hör aber auf! Du weißt ebenso gut wie ich, was du sagtest, als ich auf der Harfe spielte. Du sagtest, mein Saitenspiel sei wie das Schluchzen der Sterne …«
    »Aus Mitleid.«
    Julius keuchte. »Aus Mitleid? Mit den Qualen der Harfe etwa? Also, das ist doch …! Wenn ich mich recht erinnere, sagte ich einmal, mein Harfenspiel ›rühre an viele tiefschürfende Fragen des Menschseins‹ – eine Bemerkung, die du unverzüglich in deine Chronik aufnahmst. Aber Schluss jetzt mit dem Thema! Warte, bis du mein Gedicht hörst, Ray! Es wird dich überwältigen.«
    Der Wagen rollte auf das Dorf zu, vorbei an einem Ortsschild, auf dem DAYS PAST stand. Julius machte einen Katzenbuckel, hielt den Kopf schräg und experimentierte mit einigen Posen, ehe er sich für eine vage militärische Haltung entschied – einen Ellbogen schräg über der Brust angewinkelt und mit dem freien Arm die Seidentoga um die Hüfte schlingend. Slythe wandte erstmals seine Aufmerksamkeit von Aden ab. Seine Blicke schweiften, wie es schien, zu den Farmern hinüber, die an den Hügelflanken ihre Felder pflügten.
    »Winke dem Volk zu, Ray!«, befahl Julius. Raydon fuchtelte wütend umher, als müsste er einen Fliegenschwarm verscheuchen. Dann lehnte er sich mit rotem Gesicht in seine Lederpolster zurück.
    Die Landschaft zog vorüber. Aden betrachtete müde und verwirrt die fremden Pflanzen, grüne Gebilde, die sich im Wind wiegten oder frei umherzuwuseln schienen wie Tiere, alle vor dem Hintergrund vertrauter Eukalyptusbäume,

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