Invasion 02 - Der Angriff
Genau genommen war dies nicht der Ort, wo sich der Kommandeur eines Kavalleriebataillons jetzt aufhalten sollte – im Turm eines Abrams-Panzers an der Spitze einer Attacke gegen zwei Millionen Feinde. Andererseits scherte er sich den Teufel darum, wo sein Platz sein sollte. Der Auftrag lautete, die Posleen so in die Fresse zu hauen, dass sie in den Feuerkessel zurückkehrten. Er hätte das seinen Kompaniechefs überlassen können. Hätte das auch tun sollen. So hatte man es ihm auch befohlen. Klar. Den Teufel auch. Wo sonst gehörte ein Soldat hin, der sein Leben lang Kavallerieoffizier gewesen war?
»Stew, dass mir auch diese Jungs an den Geschützen Bescheid wissen, Ende« , rief er in sein Mikrofon. Trotz des schallsicheren Helms klang das Dröhnen von sechzig turbinengetriebenen Kampfpanzern, die ihre Motoren hochjagten, wie ein Vulkanausbruch.
»Kein Problem« , antwortete der andere Bataillonskommandeur. Das Zweite Bataillon des Zweiundzwanzigsten Kavallerie-Regiments war zur Verteidigung der Anlagen auf Libby Hill abgestellt worden, und der andere Offizier war auf seinen Kameraden zutiefst eifersüchtig. »Ich bin jetzt in der Feuerleitstelle. Die wissen Bescheid. Das Feuer wird in dem Augenblick eingestellt, wenn die Tore sich öffnen. Selbst die Mörser verstummen, bis du durchkommst. Aber bloß für alle Fälle: Es könnte nicht schaden, wenn du vorher dichtmachst« , witzelte er.
»Ja, wirklich« , brüllte Abrahamson. Er winkte den Zivilisten zu, die an den Schleusentoren bereit standen. Die Arbeit an der eigentlichen Schleuse war in großer Hast verrichtet worden, und das bedeutete, dass man die Tormechanismen ebenfalls recht hastig umgebaut hatte. Deshalb hatte man auch Bulldozer hinter die tonnenschweren Stahlbetontore postiert, die sie aufschieben sollten. Die beiden Ingenieure winkten den Fahrern zu, worauf diese sich langsam in Bewegung setzten. Wenn die Tore sich verzogen, würde man sie vielleicht nicht mehr schließen können. Und wenn die Kavallerie zurückkam, dann würden die sich wirklich wünschen, dass man die Tore wieder zubekam.
»Okay, sagt ihnen, die Tore sind in Bewegung« , brüllte er und schaltete auf Interkom. »Wir fahren zum Eingang vor« , sagte er und drückte zugleich auf den Schalter, der ihn in den Bauch der gepanzerten Bestie sinken ließ.
Als die Tore langsam zurückrollten, gaben sie den Blick auf ein Inferno frei. Die Artilleriegranaten, die immer noch auf die Senke herunterregneten, wühlten einen unbeschreiblichen Brei aus gelben Posleen-Leichen auf, in die sich Ziegelsplitter der ehemaligen Gebäude mischten. Weit und breit war kein lebendes Wesen zu sehen. Der gewaltige Hammer der Artillerie im Verbund mit dem Infanteriefeuer hatte etwas bewirkt, was es in Schlachten praktisch nie gab: sämtliche Feinde waren getötet worden. Selbst in den verheerendsten Schlachten des Ersten und Zweiten Weltkriegs hatte es immer ein paar Überlebende gegeben. Nicht hier. Das Massaker an den Posleen in Schockoe Bottom war effizient, gnadenlos und vollkommen gewesen.
»Langsam hundert Meter vorrücken«, befahl er über das Interkom. »Dann anhalten und warten, bis die Staffel aufgeschlossen hat.«
»Ja, ›auch wenn ich durch das Tal der Schatten und des Todes reite, werde ich das Böse nicht fürchten‹«, zitierte Private First Class Mills, der Geschützführer des Panzers.
»Weil ich der gemeinste Motherfucker im ganzen Tal bin«, lachte der Colonel und beendete damit die militärische Version des Psalms.
»Amen«, flüsterte Private Hulm, der Fahrer. Der junge Private war von dem Blick auf die Verwüstung ebenso entsetzt wie alle anderen, steuerte aber nach nur kurzem Zögern den schweren Panzer langsam in das Feld der Vernichtung hinein.
Eine dicke Schicht aus Schleim und Blut bedeckte die Oberfläche der Fourteenth Street, die gummibeschichteten Ketten des Monstrums wirbelten eine feine Gischt auf, die wie orangeroter Schlamm aussah. Mit Ausnahme zerfetzter Überreste von Untertassen der Gottkönige gab es keine Hindernisse. Hier und da lag eine unversehrt wirkende Leiche eines Posleen auf dem Boden, die von den Panzerketten zermahlen wurde, ohne dass jemand davon Kenntnis nahm oder sich dazu äußerte. Der siebzig Tonnen schwere gepanzerte Moloch ruckte dabei nicht einmal.
PFC Mills schwang den Turm zur Seite. »Ziel, Untertasse in Bewegung.«
Der Colonel sah reflexartig auf seinen Bildschirm. Die Untertasse hing schräg am Himmel und arbeitete sich in
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