Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
Bühne heran. Eine menschliche Gestalt begann sich vor ihm abzuzeichnen.
Das IST Cora, fuhr es Benno durch den Kopf.
Blödsinn, das war in dem Moment nur ein grauer Nebel in grober Zweibeinerform.
Das ist Störung der Totenruhe, war der nächste Gedanke.
Nein, Herbert Kupfer hatte nicht recht. Wenn wirklich etwas fortbestand, dann würde dieses Etwas sich nicht gestört fühlen, sondern froh und dankbar sein für die Chance, mit lebenden Angehörigen Kontakt aufzunehmen und vielleicht eine letzte Botschaft loszuwerden.
Der graue Nebel färbte sich in Brusthöhe gelblich ein, und aus der Säule darunter formten sich zwei schwarze Beine. Fasz iniert trat Benno einen Schritt näher.
„So“, sagte Maurice hinter ihm, und im selben Moment stand die nebulöse Gestalt voll mat erialisiert vor Benno.
„So“, sagte Maurice noch einmal, und plötzlich hatte die Fra uengestalt Coras Gesicht – ihr junges Gesicht und passend dazu einen jungen Körper. So könnte sie ausgesehen haben, bevor... – sofern es je ein „Bevor“ gegeben und sie nicht von Jugend an schon getrunken hatte. Ihre Augen starrten ins Leere. Benno trat einen weiteren Schritt auf sie zu.
„Wenn Sie versuchen, sie anfassen, zerstören Sie die Illus ion“, kam es von Maurice. Benno hörte, wie er aufstand und zu ihm herüberkam.
„Sie zwinkert sogar“, rief Benno staunend.
„Ja, und gelegentlich schluckt sie und räuspert sich. Das sind Standardfunktionen aus meiner Experimentierphase.“
„Was könnten Sie sie alles tun lassen?“
„Im Grund alles, aber, wie gesagt...“
„Ich weiß, aber trotzdem, das ist unglaublich.“
Benno konnte nicht aufhören, ihr Gesicht anzustarren. Tatsächlich, jetzt schien es, als habe sie geschluckt. Je länger er sie anschaute, desto ähnlicher wurde sie der Cora, die er kannte. Jugendbild und Erinnerung verschmolzen, ihr leerer Gesichtsausdruck füllte sich mit Leben. Eine Spur von Verbitterung unter einer Maske des Hochmuts legte sich über die Züge, jene Mischung, die Benno immer so seltsam an ihr fasziniert hatte. Konnte das sein?
Ein Hauch von warmem Whiskey-Atem we hte ihm entgegen.
Meine Sinne spielen mir einen Streich, dachte er, und bekam trotzdem eine Gänsehaut. Für einen Moment sah er zu Maurice hinüber, der schräg hinter ihm stand, um sich rückzuvers ichern, dass er sich das alles nur einbildete.
„Es sieht fast aus als ob...“
In dem Moment nahm Benno eine gelbe Bewegung von rechts wahr, und Maurice riss erschreckt die Augen auf. Benno sah beides nur halb, und ehe er gewahr wurde, was geschehen würde, und richtig hingucken konnte, war es schon passiert: Cora hatte zwei Schritte auf Maurice zu gemacht, hatte in der Bewegung ausgeholt und ihm mit Anlauf eine Ohrfeige verpasst.
Benno hörte deutlich das Klatschen, sah gleichermaßen die kalte Wut in C oras Gesicht und das ungläubige Entsetzen bei Maurice. Die Hand war nicht durch ihn hindurch gefegt, sondern hatte sein Gesicht herumgerissen. Es sah aus, als wolle Cora mit der anderen Hand ausholen, aber dann, im Bruchteil einer Sekunde, stand sie wieder mit herabhängenden Armen auf der Bühne im Zentrum der Hologramm-Projektoren, starrte geradeaus und hatte dabei den leeren, leicht blöden Gesichtsausdruck des Jugendfotos.
Bennos Herz pumpte mit schnellen, dröhnenden Schlägen. Er drehte sich um zu Maurice, der einen Schritt zurückgewichen war, den Kopf noch immer geduckt und weggedreht hielt und darum rang, die schreckensstarre Fassungslosigkeit in seinem G esicht loszuwerden. So musste jemand aussehen, der dem Teufel begegnet war.
Als er sah, dass Benno in anstarrte, straffte er sich.
„Reicht Ihnen das jetzt?“
Benno schüttelte den Kopf und konnte nicht aufhören, ihn anzuglotzen. Aus den Augenwi nkeln sah er, dass Cora nach wie vor wie eine Marionette auf der Bühne stand. Der Moment des Eigenlebens war vorüber, ihre Kraft aufgebraucht.
„Was ist?“, fragte Maurice, versuchte unbeteiligt zu wirken, aber unterdrückte Wut klang in seiner Stimme durch.
„Was ist?“, wiederholte Benno langsam. „Sie hat Ihnen eine geklebt. Wie ist denn das möglich?“
„Ihre Fantasie geht mit Ihnen durch. Ich wusste doch gleich, dass Sie das zu sehr mitnimmt.“
Er machte auf dem Absatz kehrt und ging um den Schenkel des Tisches zu seinem Sessel.
„Das war keine Fantasie. Es hat ja sogar laut geknallt!“
„Ach, Blödsinn.“
„Sie hat Ihnen eine...“
„Sie hat mir keine geklebt!“, fiel er ihm ins Wort. „Das
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