Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
sagte Benno leise und trat auf sie zu.
„Ich bin ihre Schwester, Martina. Ihre Stimme kommt mir b ekannt vor.“
„Vielleicht vom Telefon. Ich hab bei Cora angerufen am Morgen danach.“
„Benno Zenn?“
„Ja. Sie haben sich meinen Namen gemerkt.“
„Nicht von dem Anruf, aber Cora hatte...“
In Bennos Rücken wurde es unruhig. Der Kondolenzzug stockte hinter ihm, und er wurde nach vorne geschoben. Coras Eltern sahen ihn und Martina unwillig an, und der nächste in der Re ihe der Familienmitglieder, ein kleiner, glatzköpfiger Greis mit wuchernden Koteletten, starrte misstrauisch zu ihm herauf.
„Könnten Sie warten, bis ich hier fertig bin“, flüsterte Ma rtina.
„Natürlich. Ich warte vorne an der Kapelle.“
Sie nickte, und Benno gab dem Druck der Schlange nach, sah eine Gelegenheit, aus dem Trauerzug auszuscheren und trat von Martina weg zur Seite. Er war durchgeschwitzt und fühlte sich erschöpft, ausgelaugt von der Sommersonne, die ihm auf den Kopf brannte. Den Oberkörper halb zur Seite gedreht, bahnte er sich einen Weg durch die Herumstehenden, nahm einen Nebenpfad Richtung Krematorium und bog kurz davor zur Kapelle ab.
„Cora hat mir nicht erzählt, dass sie eine Zwillingsschwester hat“, sagte Benno, als er eine halbe Stunde später mit Martina auf einem Bänkchen im Schatten der Kapelle mit Blick auf eine im Sommerwind rauschende Birkengruppe saß. „Ich bin ganz schön erschrocken.“
Martina schüttelte den Kopf.
„Das ging heute einigen Leuten so. Aber wir waren keine Zwillinge. Ich bin fast zwei Jahre älter.“
Sie nahm Kopftuch und Sonnenbrille ab und schaute Benno ernst von der Seite an. Ihre Haare waren kürzer als die von Cora, ihre Gesichtsform war rundlicher, ihre Augen wirkten lebend iger ohne die dunklen Ringe, die er von Cora kannte. Aber dennoch war die Ähnlichkeit verblüffend. Die Übereinstimmung schien Benno größer als zwischen Cora und ihrem eigenen Jugendfoto.
„Kaum zu glauben“, sagte Benno und merkte, dass sein Blick auf Martinas Gesicht allzu seh nsüchtig wurde. Es schaute geradeaus auf die Birken.
„Eine Laune der Natur. Standen Sie Cora sehr nahe?“
Er wiegte den Kopf.
„Wir kannten uns noch nicht sehr lange. Aber...“
„Sie hatten ein Verhältnis?“
„Ein nicht gerade ungetrübtes, aber... ja, so muss man es wohl nennen.“
„Von woher kommen Sie überhaupt?“
„Ich bin von hier, aus dieser Stadt. Aber ich habe seit einer Woche einen Auswärts-Job.“
„Und Cora war mit Ihnen dort? Das ist ungewöhnlich.“
„Wieso?“
„Weil sie eigentlich gar nichts mehr unternahm, außer in ihrem Stammcafé herumzusitzen. Sie hatte regelrechte Panik vor neuen Umgebungen und selbst kleinen Veränderungen ihres gewohnten Tagesablaufs. Deshalb machen mich die gepackten Koffer immer noch stutzig.“
„Sie wollte vielleicht zu mir.“
„Mitten in der Nacht?“
„Dafür gibt es eine Erklärung. Ich hatte mein Handy verloren und war über Festnetz nicht erreichbar. Vielleicht machte sie sich Sorgen.“
„Aber sie wäre nicht mehr in der Lage gewesen zu fahren.“
„Das hätte sie, glaube ich, nicht aufgehalten.“
„Wie meinen Sie das?“
Er schaute sie an und presste die Lippen zusammen.
„Wir meinen doch beide das Gleiche, oder?“
„Das nehme ich an. Aber in dem Fall...“
„Dass sie keinen Führerschein mehr hatte, war ihr ziemlich egal.“
„Das wussten Sie?“
„Ja, ich war dabei, als es passierte. Die 1,4 Promille hat man ihr nicht im mindesten angemerkt.“
„Aber an dem Abend...“
„Ich denke, sie wäre auch mit zwei Promille noch gefahren.“
„An dem Abend hätte sie ganz bestimmt nicht mehr fahren kö nnen.“
Benno spürte eine Gänsehaut und dachte an die Ohrfeige. Die gelbe Bewegung von rechts und die rote, geschwollene Wange von Maurice.
„Sie sagten am Telefon, etwas sei seltsam gewesen. Ging es nur darum, dass sie gepackt hatte, oder...?“
„Ja, und sie war auch so angezogen.“
„Wie?“
„Ach, sonst war sie zu Hause ganz locker, trug abends Badema ntel oder Jogging-Anzug, aber in dieser Nacht...“
„Was?“
„Ach, nichts Besonderes, Hose und Bluse, aber es passte eben nicht zu...“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ist ja egal, die Polizei hat nichts gefunden, also...“
Benno spürte die Gänsehaut über die Arme zum Nacken wandern, als ihm ein Gedanke kam.
„Welche Farbe?“
„Was?“
„Ihre Kleidung.“
„Die Hose schwarz, glaub ich, und die Bluse sehr auffallend.
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