Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
verlaufen habe. Und so richtig chaotisch ist es in den Kellergewölben.“
„Das ist mir völlig klar. Wenn Sie bei geometrischen Mustern an verschiedenen Stellen die Regelmäßigkeit durchbrechen, dann verwirrt das mehr als eine unregelmäßige Bauweise, der man versucht, eine Ordnung zu geben, verstehen Sie?“
Benno nickte, aber man sah ihm an, dass er nicht wirklich verstand.
Der Archivar holte ein Blatt Papier aus dem Prospektständer, drehte es um, zog einen Kuge lschreiber aus der Tasche und malte ein großes Quadrat, viertelte es und viertelte die Viertel.
„Sehen Sie, das heutige Schloss hat theoretisch neun parallel verlaufende Hauptgänge von einer Seite zur anderen, die im 90-Grad-Winkel von neun weiteren parallel verlaufenden Gängen g ekreuzt werden. Das sieht in der Übersicht schön ordentlich aus, aber laufen Sie mal einen Gang entlang über meinetwegen drei Kreuzungen, biegen dann links ab, zwei weitere Kreuzungen...“
„Aber so ist das auch nicht. Die Gänge verlaufen zum Teil endlos lang ohne Türen und Kre uzungen, dann gibt es wieder Türen ohne Ende...“
„Genau das, was ich sagte. Wenn an einer Kreuzung ein Durc hgang vermauert wird, an der nächsten vielleicht zwei, dann wieder einer, ein Teilgang wird vielleicht ganz vermauert und zu einem der Räume hin geöffnet, irgendwo ist mal ein Treppenauf- oder -abgang oder beides, und das völlig wahllos, so dass auch blinde Gänge entstehen, die nach zig Abzweigungen im Nirgendwo enden oder an einem blinden Treppenabgang, Ausgänge, die keine sind, und dergleichen Scherze mehr – dann haben Sie ganz real die Situation eines dreidimensionalen Irrgartens.“
Benno schaute ihn an. Sein Magen knurrte, er fror und dachte an den Weg hoch zur Burg, der ihm noch bevorstand mit der Last all seiner Sachen. Dort oben, in diesem scheinbar wohl geor dneten und doch so chaotischen und völlig unüberschaubaren Durcheinander von Gängen und Räumen, war sein neues Zuhause.
„Erst die totale Ordnung der Quadrate, dann das Chaos mit dem Zumauern – wieso?“
„Vielleicht ein Nachfahre, dem die totale Regelmäßigkeit auf die Nerven ging.“
„Aber muss man deswegen gleich einen Irrgarten draus machen?“
Der Archivar zuckte die Schultern.
„Manche Leute lieben das Durcheinander. Vielleicht hatte di eser Nachfahre aber auch was zu verbergen oder zu verstecken?“
„Und was könnte das sein?“
„Keine Ahnung. Das ist ja alles nur Spekulation. Aber ich habe gehört, dass die Burg auf einem alten Bergbaustollensystem erbaut wurde. Vielleicht haben die oben gewohnt und unten was Wertvolles ausgegraben, Gold oder Silber, und man konnte es wegen schlechter gewordener Zeiten nicht mehr so sorglos lagern. Vielleicht entstand der Irrgarten während eines Krieges, um Plünderer in die Irre zu führen – was es auch war, könnte gut sein, dass es noch da oben versteckt ist.“
„Oh Mann!“, rief Benno aus, trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen die Wand. Er dachte an den grabenden Maurice. Und an den Arbeiter, der dem Vater des Barons so tä uschend ähnlich gesehen hatte. Es muss gegraben werden, genau hier...
„Was ist denn?“, fragte der Archivar.
Benno schüttelte den Kopf.
„Nichts. Ich muss los. Vielen Dank für die Informationen.“
„Bittebitte. Wäre schön, wenn Sie den Baron mal fragen könnten wegen einer Besichtigung.“
„Auf jeden Fall.“
Benno schüttelte ihm die Hand und folgte ihm zum Ausgang. Stöhnend schulterte er seine Taschen und ließ sich vom Archivar den Computer in die Arme hoch wuchten und die Tür öffnen. Die Situation erinnerte ihn an seinen Auszug aus der Pension, als der Postbote Coras Handy brachte. Diesmal würde er aber ein Taxi nehmen, denn mit 20 Kilo sperrigem Gepäck konnte er unmöglich den steilen Pfad durch den Wald...
Schlagartig fiel ihm etwas ein, und er drehte sich noch einmal um.
„Eine Frage noch. Hier im Ort nennen sie die Burg offenbar Kuckucksnest. Wissen Sie, was es damit auf sich hat?“
Dr. Hertel schüttelte den Kopf.
„In diesem speziellen Fall nicht.“
„Schade.“
„In einigen Gegenden ist das allerdings eine abfällige Bezeichnung für ein Haus, das an einen Erben übergegangen ist, der eigentlich nicht zur Familie gehört.“
„Wie kann denn ein Erbe nicht zur Familie gehören?“
„Durch fehlende Blutsverwandtschaft. Denken Sie an ein Kind, das aus einem heimlichen Fehltritt der Frau hervorgeht und dem Mann untergeschoben wird. Alle wissen es, nur
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