Invasion der Götter
ausgelöscht. Alte Menschen, unschuldige Kinder und Frauen ermordet. Habe mich sogar an der ein oder anderen Frau vergangen, bevor ich sie erschoss, und ich habe es genossen. Gott jedoch hat mir längst diese Missetaten vergeben, und würde ich mich jetzt selbst umbringen, so wäre dies ein Laster, das mir keiner mehr nehmen könnte. Sie hingegen könnten sich die Sünde des Mordes noch nehmen lassen. Gott vergibt jedem alles.«
Iris sah den Mann an, der vor ihr lag und von ihr verlangte, ihn zu töten. Ein Mann, der das Leben nicht achtete und ›Gott‹ über das der anderen stellte. Zu gerne hätte sie einfach nach der Waffe gegriffen und ihn dafür bezahlen lassen, für die Schandtaten, die er begangen hatte.
»Na, was ist? Sie wollen den Schlüssel, dann nehmen Sie die Waffe und erschießen mich. Es ist ganz einfach abzudrücken. Ich habe Ihnen genug Gründe dafür genannt«, sagte er ruhig.
Iris jedoch war wie versteinert, den Blick auf das Gewehr gerichtet. Der Mann schrie auf vor Schmerzen, die er offenbar die ganze Zeit über unterdrückt hatte.
»Los, nehmen Sie die Waffe und schießen Sie!!!«, brüllte er sie an, dass Iris zusammenzuckte. »Wenn Sie es schon nicht zur Strafe tun, dann aus Menschlichkeit.«
Langsam griff sie nach dem Maschinengewehr, und die Gesichtszüge des Mannes entspannten sich wieder ein wenig. Es schien so, als bereitete er sich auf den Tod vor – er sah beinahe glücklich aus, auf die Erlösung wartend.
»Einfach zielen und abdrücken«, sagte er. »Den Rest macht das Ding von alleine.«
Doch die junge Frau richtete die Waffe nicht auf den Soldaten. Sie sah ihn nur an, mit Tränen in den Augen.
»Erlösung hast du nicht verdient! Nicht durch meine Hand und nicht durch die eines anderen. Die Sünden, die du begangen hast, können dir ebenso wenig genommen werden wie die Tatsache, dass du sterben wirst. Der Gott, von dem du hoffst, dass er dich in sein Himmelreich aufnehmen wird, existiert nicht. Er ist nur eine Erfindung der Menschen, ein Ammenmärchen – einzig zu dem Zwecke geschaffen, den Gläubigen Hoffnung und Halt zu geben – sie zu fesseln in ihrem Tun und in ihren Gedanken. Sie zu halten und zu kontrollieren. Welcher Gott würde dir Sünden nehmen, die er angeblich selbst als Todsünde bezeichnete – als Verstoß gegen eines seiner Gebote. Es ist armselig zu glauben, dir könnte irgendjemand helfen. Es ist egal, was du tust – du wirst nicht in die Hölle kommen, denn diese ist wie der Himmel eine bloße Illusion. Ich werde dich nicht töten, denn du hast es verdient zu leiden. In der Zeit, die dir noch bleibt, wirst du wenigstens einen Bruchteil von dem zu spüren bekommen, was du anderen Menschen angetan hast. Ein Gott kann dir nicht helfen.«
Daraufhin warf Iris die Waffe neben dem Soldaten zu Boden, weit genug von ihm entfernt, damit er nicht ohne weiteres danach greifen konnte, wandte sich ab und lief davon.
»Du kannst mich hier nicht so liegen lassen. Ich halte diese Schmerzen nicht länger aus. Gott hat dich zu mir geführt, um mir mein Leiden zu nehmen.«
»Dann fang an zu beten, dass dein imaginärer Gott noch jemanden von deinem Schlag schickt, der für dich abdrückt. Ich werde es nicht tun.«
»Du Miststück!«, brüllte er bösartig. »Dann bekommst du auch nicht den verfluchten Schlüssel!«
»Glaubst du? Dein Körper wird den schweren Verletzungen bald erliegen, und dann komme ich zurück und hole mir den Schlüssel, um die beiden Kinder und mich hier wegzubringen.«
Iris öffnete die Tür des Trucks, stieg ein und setzte sich auf den Fahrersitz. Sie lehnte sich nach vorn, mit den Ellbogen auf dem Lenkrad abgestützt, und legte verzweifelt ihre Hände aufs Gesicht.
Sie hatte wahrhaftig mit dem Gedanken gespielt abzudrücken – auch wenn es nur der Bruchteil einer Sekunde war, wäre sie bereit gewesen, das Leben dieses Schweins zu beenden, der wer weiß wie viele andere Leben ausgelöscht hatte. Sie war stolz auf sich, dem widerstanden zu haben – dem Drang des Instinkts nicht nachgegeben zu haben. Sie zitterte am ganzen Leib. All die Wut und die Traurigkeit begann sich auf einmal zu lösen, als Jamie sie ansprach.
»Iris?! Ist alles in Ordnung mit dir?«
Sie nahm die Hände aus ihrem Gesicht, reckte ihren Körper und atmete einmal tief durch.
»Sicher, Jamie! Alles ist okay!«, sagte sie und versuchte zu lächeln. »Was wollte der böse Mann von dir?«
»Wie kommst du darauf, dass das ein böser Mann ist?«, fragte sie ihn
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