Invasion der Götter
Öffnungsmechanismus in Gang zu setzen, löste sich das blockierte Rad. Nach einem kraftvollen Zug öffnete sich die Schotttür, woraufhin eine finstere Luke zum Vorschein kam und der Ansatz einer Stahlleiter, die nach oben zu führen schien.
Mit angsterfülltem Gesicht betrachtete Jamie den dunklen Zugang. »Müssen wir da etwa rein?«, fragte er mit starrem Blick.
»Ja, ich befürchte, das ist der einzige Weg in unsere Freiheit. Ich bin auch nicht begeistert von der Vorstellung, glaube mir, Junge. Schon alleine weil wir nicht wissen, wo uns der Aufstieg tatsächlich hinführt. Da er jedoch schon mal nach oben führt, würde ich dies als gutes Omen ansehen.«
Iris nahm die Lampe aus ihrer Handtasche und leuchtete die lange, pechschwarze Röhre hinauf. Sie mutmaßte, dass das relativ schwache Licht noch nicht einmal einen Bruchteil des Weges preisgab, der ihnen bevorstand.
»Jamie, du kletterst mit der Taschenlampe voraus, und ich werde dir zusammen mit Kimi folgen«, ordnete sie an und reichte Tylers Jungen die Lampe, der seinen Griff um Kimi plötzlich verstärkte.
»Ich soll vorausgehen?«, fragte er erschrocken.
»Sicher! Du kannst Kimi nicht tragen, während du eine Sprosse nach der anderen erklimmst, und ich kann nicht beides tragen, die Lampe und das Kind. Eine Hand brauch ich mindestens zum Klettern.«
Nur wiederwillig ließ Jamie von dem Baby ab und nahm die Taschenlampe entgegen. Auch Iris fühlte sich nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, den Fünfjährigen, auch wenn er für sein Alter schon sehr weit war, voranzuschicken, doch sie sah keine andere Möglichkeit.
Mit schlotternden Knien erklomm Jamie die erste Sprosse und blickte ängstlich zu Iris zurück, die ihm ermutigend zulächelte. Der Ausdruck, den der Junge im Antlitz trug, war alles andere als furchtlos. Langsam wandte er seinen Blick von Dr. Decall ab und sah nach oben, in die Finsternis, die auch die kleine Taschenlampe in seiner Hand nicht zu erhellen vermochte. Sein Herz raste, dennoch wagte er den nächsten Schritt. Und noch einen, und noch einen – und ehe er sich’s versah, war er umgeben von feuchten, dunklen, kahlen Wänden. Sein Atem stockte, und seine Bewegungen schienen förmlich einzufrieren.
»Was ist los, Jamie? Warum gehst du nicht weiter?«, vernahm er die Stimme von Iris, die direkt unter ihm an der Leiter war.
»Ich kann das nicht! Ich kann nicht weitergehen!«, sagte der Junge verängstigt.
Iris machte sich große Sorgen. Würde sie es nicht schaffen, den jungen Mann vom Weiterklettern zu überzeugen, hätten sie ein ernsthaftes Problem.
»Aber klar schaffst du das. Du hast das doch bis jetzt ganz hervorragend gemacht. Dein Vater wäre stolz auf dich. Ich werde ihm erzählen, wie tapfer du warst, wenn wir ihn treffen.«
Sein Vater, der Held. Sein Idol, dies war der Gedanke, der sich in seinem Kopf manifestierte, und er wirkte Wunder. Die Vorstellung, dass sein Vater stolz auf ihn sein würde, beflügelte den Jungen.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis der Weg aufwärts von einem schweren Eisenschott versperrt wurde, ähnlich jenem, das ihnen den Weg zu dem vertikalen Fluchttunnel freigelegt hatte.
»Hier geht es nicht weiter!«, sprach Jamie laut nach unten zu Iris, die schon am Rande der Erschöpfung war. Kimi zu halten und dabei darauf zu achten, keine Sprosse zu verfehlen, erforderte ihre vollste Aufmerksamkeit.
Die Hoffnung, dass dies das letzte Hindernis auf dem Weg in die Freiheit sei, ließ sie jedoch neue Kraft schöpfen. »Versuch es zu öffnen, Jamie!«, sagte sie. »Du hast ja gesehen, wie ich es gemacht habe. Nur Mut, du schaffst es.« Im Stillen hoffte sie, dass dieses Schott leichter zu öffnen sein würde. Jamie nahm die Taschenlampe in den Mund, dann drehte er mit seiner freien Hand an dem kleinen Rad am Schloss. Iris seufzte erleichtert, als der Deckel sogleich ein Stück aufsprang und trübes Licht in die Röhre fiel. Mit ein paar kräftigen Armbewegungen gelang es dem mutigen Fünfjährigen, ihn ganz aufzubekommen.
Iris war drauf und dran, den Boden unter ihren Füßen zu küssen, als sie es endlich hinausgeschafft hatten. Auch Jamie war die Erleichterung förmlich anzusehen. Nur Kimi blickte, wie sie es immer tat – sie war einfach ein glückliches Kind.
Der Himmel war grau bedeckt, und alles lag in einem dicken Nebel – beinahe unwirklich sah die Welt um sie herum aus. Ein beklemmendes Gefühl, da das Camp unterhalb des Hügels, auf dem sie sich befanden, bei ihrer Ankunft vor
Weitere Kostenlose Bücher