Invasion der Götter
Richtung des Hecks des Trucks. Das Stöhnen, das sich in immer kürzeren Abständen wiederholte, klang schmerzerfüllt und schon sehr schwach.
Iris nahm Jamie die kleine Kimi ab und gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er einsteigen sollte. Mühselig, sodass Iris ein wenig nachschieben musste, kletterte der kleine Junge in den gewaltigen Truck. Anschließend reichte sie ihm Kimi hoch und flüsterte: »Seid still und setzt euch hin, ich bin gleich wieder bei euch.«
Dr. Decall verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, dass sie sich möglicherweise in Gefahr begab und somit auch die beiden Kinder einer Gefahr aussetzte. Ohne sie, so ganz alleine, wären Jamie und Kimi dem Tode geweiht. Iris dachte nur daran, dass dort jemand war, der vielleicht ihre Hilfe benötigte.
Mit leisen Schritten, wie eine Raubkatze, die sich an ihre Beute heranschlich, bewegte sie sich in Richtung Heck.
»Wer sind Sie? Was tun Sie hier?«, fuhr sie plötzlich jemand an. Iris drehte sich blitzschnell zu den aufgetürmten Holzkisten um, die neben dem Truck standen, und erblickte einen Soldaten, der angelehnt in einer Nische lag und zitternd ein Maschinengewehr auf sie richtete. Seine Haut im Gesicht und an den Händen war vollkommen verbrannt, sodass an manchen Stellen bereits das Fleisch freilag. Er musste furchtbare Schmerzen erleiden, dachte sich Iris. Sie konnte noch nicht einmal sagen, ob der Mensch, der da vor ihr lag, ein hochrangiger Offizier oder ein junger Rekrut war, da seine Kleidung größtenteils ebenfalls verbrannt war.
»Mein Name ist Dr. Iris Decall, und ich war zusammen mit dem Präsidenten und seinem Gefolge im geheimen Stützpunkt.«
»Sie sind Ärztin? Können Sie mir denn helfen?«, fragte er mit flehender Stimme. Zu gern hätte sie etwas für den Mann getan, doch sie wusste nicht wie. Ebenso unverständlich war ihr, dass der Soldat so lange diese unbeschreiblichen Schmerzen hatte aushalten können.
»Nein, tut mir leid. Ich bin kein Doktor der Medizin. Ich bin Assyriologin und Linguistin, aber mehr auch nicht.«
»Helfen Sie mir!« Die Stimme des Soldaten überschlug sich beinahe, während er wieder seine Waffe auf Iris richtete.
»Hören Sie! Da vorn im Truck sitzen ein fünfjähriger Junge und ein gerade mal sechs Monate junges Mädchen. Die beiden brauchen mich – so gerne ich würde, ich kann Ihnen nicht helfen. Also lassen Sie mich gehen. Bitte!«
Der Soldat richtete sich mit verzerrtem Gesichtsausdruck auf und lugte um die Ecke auf die Fahrerkabine.
»Ich will wissen, ob Sie die Wahrheit sagen. Ich möchte die Kinder sehen.«
Iris hatte das Gefühl, dass der Mann aufgrund seiner Schmerzen bereits vom Wahnsinn besessen war. Doch was sollte sie tun, schließlich richtete der Irre eine Waffe auf sie.
»Ich werde sie jedoch nicht hierherrufen. Es muss ausreichen, wenn Sie aus dem Wagen sehen. Einverstanden?!«
»Aber ja doch!«, entgegnete der Soldat mit einem eigenartigen Grinsen.
»Jamie! Jamie! Schau bitte einmal aus dem Wagen. Jamie!«, rief Iris, woraufhin der Junge verstört aus der Fahrerkabine blickte. Den scharfen Augen des Jungen entging nicht die fleischrote Fratze, die hinter den Kisten hervorlinste und schaudervoll grinste.
»Danke, mein Süßer. Setz dich jetzt bitte wieder auf den Beifahrersitz«, rief sie in seine Richtung und versuchte ihm mit einem Lächeln zu verstehen zu geben, dass alles in Ordnung war.
Dann wandte sie sich wieder dem Soldaten zu.
»Sie sehen, ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Kann ich jetzt bitte gehen?«
»Ihr wollt mit dem Truck abhauen?«, fragte der Soldat.
»Sicher, wenn er noch fahrtüchtig ist, werden wir dies tun.«
»Oh! Er ist fahrtüchtig, dafür habe ich die letzten Wochen, in denen ich hier war, gesorgt. Sie müssen wissen, es ist mein Hobby, alte Vehikel wie dieses zu reparieren. Das Teil war absoluter Schrott. Doch ohne diesen Schlüssel fährt der Truck nirgendwohin.«
An dem Zeigefinger des Soldaten baumelte der Fahrzeugschlüssel. Iris wollte nach ihm greifen, doch der Mann schloss seine Hand.
»Könnte ich bitte den Schlüssel haben? Wir können Sie auch mitnehmen. In der nächsten Stadt ist sicherlich ein Krankenhaus, in dem Ihnen geholfen werden kann.«
»Nein, Lady. Ich würde die Fahrt niemals überstehen. Aber Sie können mir einen anderen Gefallen tun.«
Der Soldat streckte Iris seine Waffe entgegen.
»Ich habe so viele Sünden begangen. Ich habe mit meiner Einheit im Afghanistankrieg kaltblütig ganze Dörfer
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