Invasoren der Erde
…
»Vincent – zurück!« Thralls Stimme kam jetzt von der Wand. »Ich darf sie … nicht entkommen … lassen. Will das Haus … in die Luft jagen … habe Sprengstoff … bereit …«
»Thrall! Warten Sie!«
»Dreißig Sekunden!« Thralls Stimme war ein schwaches Stöhnen. »Muß sterben … Vincent … kann nie wieder laufen … Aber Sie … sollen … den Kampf … weiter …«
David blieb stehen und warf einen Blick in den dunklen Treppenschacht. Da oben war Thrall, allein, verkrüppelt. Und er würde tun, was er angedroht hatte. Darüber war sich David im klaren. Er durfte keine Zeit verlieren. Und Thrall hatte recht. Er selbst durfte nicht sterben. Er mußte weiterkämpfen und die Invasoren eines Tages besiegen …
Er wirbelte herum, jagte in großen Sprüngen die Treppe hinunter, durch die geräumige Diele, vorbei an den windschiefen Säulen, über den unkrautbewachsenen Fahrweg …
»… achtundzwanzig – neunundzwanzig …«, zählte er, dann warf er sich im Hechtsprung hinter eine dicke Eiche.
Ein Riese klatschte in die Hände. Weißes Licht ließ die Bäume und Büsche erstrahlen. Der Boden unter David zitterte, schien nach oben zu drücken. Ein alles erschütternder Donner grollte und grollte, und das Echo wollte nicht mehr schweigen. Holzstücke, Blätter und ein Stück Eisengeländer prasselten rings um David zu Boden.
Er erhob sich und sah zum Haus hinüber – oder zu dem Fleck, an dem es gestanden hatte. Jetzt gähnte nur noch eine rauchende Grube zwischen den halb entwurzelten Bäumen. Die Erde war aufgewühlt, als wäre ein mächtiger Pflug durchgefahren. An manchen Stellen flackerten kleinere Feuer auf.
In der Ferne hörte er das Heulen einer Sirene – ein langgezogenes Wimmern. In ein paar Minuten würden Leute hier sein – Polizei, Feuerwehr, die Neugierigen aus der Stadt. Die Menschen würden dastehen und gaffen und sich die Ruine der alten Thrall-Villa ansehen. Sie würden mit gespieltem Entsetzen die Köpfe schütteln und hinter der Hand grinsen, daß der Verrückte nun endlich genug von seinen Experimenten hatte.
»Sie werden dich als Verrückten in Erinnerung behalten, Thrall«, sagte David leise. »Sie werden nie erfahren, daß du gestorben bist, um sie zu retten – sie und Millionen von Menschen, die dir nicht glauben wollten. Aber ich kenne die Wahrheit. Vielen Dank, Thrall. Du warst größer als sie …«
Schweigend ging Vincent über den dunklen, verwilderten Rasen. Eine halbe Stunde später beobachtete er von einem bewaldeten Hügel über der Stadt, wie die letzten Flammen gelöscht wurden. Die Flammen, die Thrall und die beiden Fremden getötet hatten.
»Drei Monate«, hatte Dorn gesagt. Was war in drei Monaten? Die Stimme des Fremden hatte überzeugt geklungen, als er den Satz begann, den er nicht zu Ende führte. Und diese Überzeugung bedeutete nichts Gutes für die Menschheit. Leider würde David nun nicht mehr erfahren, was er gemeint hatte.
Aber es lebten noch andere seiner Rasse, es waren noch andere Invasoren am Werk. Drei Monate! Welcher Plan war bis dahin gereift? Und gab es eine Möglichkeit für David, ihn zu vereiteln?
Er wußte es nicht. Aber er konnte weitersuchen, aufpassen, horchen, warten – und vielleicht fand er, mit ein wenig Glück, den Schlüssel zu dem tödlichen Geheimnis, bevor es zu spät war.
David ging durch den dunklen Wald. Er war allein, und er mußte allein den Kampf gegen den Feind aufnehmen.
Teil III
1
Ein kalter Herbstwind jagte durch die Straße und wirbelte die vertrockneten Blätter hoch. David Vincent stellte den Mantelkragen auf und ging mit gesenktem Kopf weiter. Seine Beine waren wie taub von dem stundenlangen Gehen – von dem Umherirren ohne Ziel und ohne Erfolg.
Er hatte keine Ahnung, wie spät es war und in welchem Teil der kleinen Stadt des Mittelwestens er sich befand. Es war eine Straße mit heruntergekommenen Häusern, die sich hinter ebenso heruntergekommenen Vorgärten duckten: Häuser, in denen früher einmal Kinder herumgetollt hatten. Aber nun war alles still. Die Lichter hinter den Fenstern wirkten düster, freudlos – es waren Höhlen, in die sich die Alten zum Sterben zurückgezogen hatten.
David schob die finsteren Gedanken beiseite. Ein beständiges Hungergefühl erinnerte ihn daran, daß er noch nichts gegessen hatte. Wann hatte er wohl die letzte Mahlzeit zu sich genommen? Er wußte es nicht. Während der vergangenen drei Monate hatte er es sich abgewöhnt, regelmäßig zu essen und
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