Inversionen
aber es ist trotzdem sehr schön, wieder einmal Drezenisch gesprochen zu hören!« Sie wandte ihm erneut ihr Lächeln zu und sagte: »Ich glaube, ich werde versuchen, ihn dazu zu überreden, zu bleiben und ein passendes Botschaftsamt zu finden.« Sie fing wieder an, mit ihm zu plappern.
Ulresile und Walen tauschten Blicke. Wachkommandant Adlain blickte für eine kurze Weile zur Decke des Großen Saals hinauf, dann gab er ein leises ›Ttttt‹ von sich. »Nun, meine Herrn«, sagte er zu den drei Herzögen, »ich habe den Eindruck, wir sind hier mehr an der Zahl als nötig, meint Ihr nicht?«
Herzog Ormin antwortete mit einem geistesabwesenden ›Hmmm‹. Die anderen beiden Männer sahen die Ärztin und den Gaan Kuduhn mit Gesichtern an, die so etwas wie Enttäuschung ausdrückten, obwohl im Falle des neuen Herzogs Walen dies keiner Veränderung seines normalen Gesichtsausdruckes bedurfte.
»So faszinierend dieser Wortaustausch in der Originalsprache meiner Überzeugung nach auch sein mag, ich muß mich anderen Dingen zuwenden«, sagte Adlain. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt…« Er nickte den Herzögen zu und ging davon, wobei er den beiden stämmigen Hauptleuten der Wache zunickte, die ihm daraufhin auf den Fersen folgten.
»Herzog Walen, Herzog Ulresile«, sagte die Ärztin lächelnd. »Vielen Dank. Ich fühle mich überaus geschmeichelt, daß Ihr daran gedacht habt, mich so unverzüglich mit dem Gaan bekanntzumachen.«
Der neue Herzog Walen schwieg. Ulresile machte ein Gesicht, als ob er etwas Bitteres schluckte. »Es war uns ein Vergnügen, Madame.«
»Wird der Gaan für eine Audienz beim König gebraucht?« fragte sie.
»Nein, er wird nicht für eine Audienz beim König gebraucht«, sagte Ulresile.
»Darf ich ihn Euch dann für eine Weile entführen? Ich würde mich sehr gern mit ihm unterhalten.«
Ulresile neigte den Kopf, und der Hauch eines Lächeln huschte über sein Gesicht. »Bitte sehr. Fühlt Euch als unser Gast.«
Meister, ich verbrachte anderthalb Stunden mit der Ärztin und ihrem neugewonnenen Freund in einem Alkoven abseits der Galerie des Liederhofes und erfuhr gar nichts, außer daß die Drezeni reden, als ob die Welt jeden Augenblick unterzugehen drohe, und ihren Wein manchmal mit Wasser und etwas Zucker einnehmen. Der Gaan Kuduhn hatte später an diesem Tag eine Audienz beim König, und er bat die Ärztin, für ihn zu dolmetschen, da sein Imperialisch kaum besser war als sein Haspidianisch. Sie willigte mit Freuden ein.
An diesem Nachmittag würde ich allein zum Apotheker Shavine geschickt, um Chemikalien und andere Vorräte für das Labor der Ärztin zu kaufen. Die Ärztin sah ziemlich strahlend aus, als ich sie verließ; sie verwendete große Sorgfalt für ihre Kleidung und Aufmachung, um sich für ihre Zusammenkunft mit dem Gaan Kuduhn und dem König vorzubereiten. Auf meine entsprechende Frage hin wurde mir beschieden, daß ich bis zum Abend nicht mehr gebraucht würde.
Es war ein schöner, warmer Tag. Ich ging den weiten Weg zum Apotheker zu Fuß, wanderte an der Hafenanlage entlang und erinnerte mich an die stürmische Nacht ein halbes Jahr zuvor, als ich hierhergekommen war und die Kinder gesucht hatte, die losgeschickt worden waren, um Eis zu holen. Ich erinnerte mich an das Kind in dem vollgestopften, dreckigen Zimmer in dem Wohnsilo im Armenviertel und an das schreckliche Fieber, das das Kind umgebracht hatte, trotz aller Bemühungen der Ärztin.
Im Hafen roch es nach Fisch und Teer und Meer.
Einen Korb mit Gefäßen aus glasiertem Ton und Glasröhren umklammernd, alles eingepackt in Stroh, kehrte ich in eine Taverne ein, um Rast zu machen. Ich versuchte etwas Wein mit Wasser und Zucker, aber das entsprach nicht meinem Geschmack. Eine geraume Zeit saß ich nur da und blickte durch das offene Fenster auf die Straße hinaus. Ich kehrte etwa beim vierten Läuten der Abendglocke in den Palast zurück.
Die Tür zu den Gemächern der Ärztin stand offen. Das war ganz und gar nicht ihre Art. Ich zögerte weiterzugehen, da mich plötzlich ein Gefühl von Gefahr überkam. Ich trat dennoch ein und fand ein Paar kurze Salonstiefel und ein kleines formelles taillenlanges Cape am Boden des Wohnzimmers. Ich stellte meinen Korb mit den Chemikalien und den Zutaten auf dem Tisch ab und ging weiter zum Labor, wo ich Stimmen hörte.
Die Ärztin saß an ihrem Arbeitstisch, auf den sie die Füße gelegt hatte; ihre nackten Fersen ruhten auf einem Stapel von Papieren, ihre Beine
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