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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vernünftigere Weise betrachten und dem Pfad folgen konnte, den Ihr vorgabt, auch wenn er selbst zu der Geografie wenig beizutragen vermochte.
    Kurz gesagt, es lief darauf hinaus, daß Herzog Ulresile der Schuldige war. Die Schrift auf der Notiz war die seine. Die Palastwachen schworen, daß Ulresile sie befehligt hätte, und zwar mit Eurer Genehmigung. Später an Abend wurde einer von Ulresiles Männern dem König vorgeführt, schluchzend, um zu gestehen, daß er das Skalpell früher am Tag aus der Wohnung der Ärztin gestohlen und daß er Herzog Ormin getötet hatte, dann weggerannt und durch die Hintertür des Bittstellerflügels geflüchtet war, kurz bevor die Ärztin ihn durch den Vordereingang betreten hatte. Ich war in der Lage, meine Rolle zu spielen, indem ich behauptete, der Kerl könnte leicht jener gewesen sein, der mir im düsteren Gang des Bittstellerflügels entgegengerannt war.
    Natürlich log der Kerl, was das Skalpell betraf. Bis jetzt war jemals nur eins der Instrumente abhanden gekommen, und das war jenes, das ich zwei Jahreszeiten zuvor gestohlen hatte, an dem Tag, als wir das Armenhospital besucht hatten. Natürlich habe ich es Euch zugeführt, Meister, wenn auch nicht im wortwörtlichen Sinn, nicht so, wie es später dem Körper von Herzog Ormin zugeführt worden war.
    Unterdessen konnte Herzog Ulresile dazu bewegt werden, sich aus dem Palast zu entfernen. Ich denke, ein etwas reiferes Gehirn hätte sich das überlegt und wäre darauf gekommen, daß eine Flucht wie ein Schuldeingeständnis erscheinen mußte, mit dem man ihn überführen konnte, doch vielleicht hatte er nicht die Absicht, seine mißliche Lage oder seine mögliche Handlungsweise mit jemandem so niedrigen wie dem armen toten Unoure zu vergleichen. Jedenfalls wurde ihm irgendeine Geschichte eingetrichtert, wonach das Mißfallen des Königs groß, aber kurz sei und hauptsächlich auf einem Mißverständnis beruhe, für dessen Aufklärung Quettil und Ihr, Meister, eine gewisse Zeit brauchen würden, während derer die Abwesenheit des jungen Herzogs unabdingbar sei.
    Der König ließ keinen Zweifel daran, daß er jeden weiteren Versuch, den guten Namen der Ärztin in den Dreck zu ziehen, sehr, sehr übel nehmen würde. Er versprach, daß alles unternommen würde, um die letzten Unklarheiten in der ganzen verwirrenden Angelegenheit aufzuklären.
     
    In jener Nacht wurden zwei der persönlichen Bewacher des Königs vor unserer Wohnung postiert. Ich schlief tief in meiner Kammer, bis mich ein Alptraum aufweckte. Ich glaube, die Ärztin schlief gut. Am Morgen sah sie ziemlich erholt aus. Sie rasierte sich den Kopf vollends kahl und verrichtete die Arbeit ordentlicher als Meister Ralinge.
    Ich half ihr dabei, in ihrem Schlafzimmer, wo sie mit einem Handtuch um die Schultern auf einem Stuhl saß, eine Wanne auf den Knien, in der warmes Seifenwasser und ein Schwamm waren. Wir sollten an diesem Morgen wieder an einem Treffen im Gemach des Königs teilnehmen, um unsere Darstellung der Ereignisse der vergangenen Nacht abzugeben.
    »Was ist geschehen, Herrin?« fragte ich sie.
    »Wo und wann, Oelph?« fragte sie zurück, während sie sich den Schädel mit dem Schwamm befeuchtete und ihn dann mit einem Skalpell – ausgerechnet – schor, bevor sie es mir reichte, damit ich die Arbeit vollendete.
    »In der Folterkammer, Herrin. Was geschah mit Ralinge und den anderen beiden?«
    »Sie stritten sich darüber, wer mich als erster nehmen sollte, Oelph. Kannst du dich nicht erinnern?«
    »Ich erinnere mich, Herrn«, flüsterte ich mit einem Blick zur Tür ihres Arbeitszimmers. Sie war verschlossen, so wie die jenseits davon und die wiederum jenseits davon, aber dennoch hatte ich Angst und so etwas wie ein schmerzliches Schuldgefühl. »Ich sah, wie Meister Ralinge im Begriff war, Euch zu…«
    »Im Begriff war, mich zu vergewaltigen, Oelph. Bitte, Oelph. Fuchtele nicht so mit dem Skalpell herum!« sagte sie und umfaßte mein Handgelenk. Sie hob meine Hand ein wenig von ihrem kahlen Schädel weg und sah sich mit einem Lächeln zu mir um. »Es wäre eine unerträgliche Ironie des Schicksals, eine falsche Mordanklage überlebt zu haben und gerade noch vom Rand der Folter abgesprungen zu sein, nur um dann die Qual zu erleiden, durch deine Hand verletzt zu werden.«
    »Aber, Herrin!« sagte ich, und ich schäme mich nicht zu sagen, daß ich jammerte, denn ich war immer noch überzeugt davon, daß wir nicht von derart fatalen umwälzenden Geschehnissen und

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