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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gesichtsausdruck wie Schnee. »Ja«, sagtet Ihr und setztet Euch mit einem Seufzen auf einen Stuhl, der vorübergehend keine Kisten oder deren Inhalt auf sich balancieren mußte. »Ja, ich wage zu sagen, daß er das kann.« Ihr lächeltet die Ärztin an. Sie war gerade dabei, ein Handtuch um ihren Kopf zu wickeln, nachdem sie eins ihrer Bäder beendet hatte. Sie wickelte sich nach jedem Bad ein Handtuch um den Kopf, und ich erinnere mich, daß ich törichterweise dachte: Warum tut sie das? Sie hat gar keine Haare, die sie trocknen müßte. Sie trug ein dickes weites Hemd, über dem ihr kahler Kopf sehr klein wirkte, bis sie das Handtuch darum wickelte. Sie räumte ein paar Schachteln von einer Couch und setzte sich.
    Ihr brauchtet eine Weile, bis Ihr Euch so hingesetzt hattet, wie es Euch behagte, indem Ihr Euer Schwert in eine bequeme Stellung schobt und Eure in Stiefel steckenden Füße ausstrecktet. Dann sagtet Ihr: »Ich habe gehört, Ihr habt den König gebeten, Euch aus seinen Diensten zu entlassen.«
    »Das stimmt, Wachkommandant.«
    Ihr nicktet nachdenklich. »Wahrscheinlich ist das das beste.«
    »Oh, davon bin ich überzeugt, Wachkommandant. Oelph, steh nicht einfach so herum«, sagte sie und wandte den Blick mir zu. »Fahr mit deiner Arbeit fort, bitte.«
    »Ja, Herrin«, murmelte ich.
    »Ich würde liebend gerne wissen, was sich an jenem Abend in der Folterkammer abgespielt hat.«
    »Ich bin sicher, Ihr wißt es bereits, Wachkommandant.«
    »Und ich bin gleichermaßen sicher, daß ich es nicht weiß, Madame«, sagtet Ihr mit einem Seufzer der Resignation in der Stimme. »Ein zum Aberglauben neigender Mensch müßte annehmen, es sei Zauberei im Spiel.«
    »Aber Ihr laßt Euch nicht derartig irreführen.«
    »In der Tat nicht. Ich mag ein Ignorant sein, aber gewiß bin ich kein Irregeführter. Ich muß sagen, daß ich, wenn ich keine andere Erklärung hätte, immer betrübter würde, je länger die Angelegenheit ungeklärt bliebe und Ihr immer noch hier wärt, aber da Ihr sagt, daß ihr abreist…«
    »Ja. Zurück nach Drezen. Ich habe mich bereits nach einem Schiff erkundigt. Oelph?«
    Ich hatte eine Flasche mit destilliertem Wasser fallengelassen. Sie war nicht zerbrochen, doch das Geräusch war laut gewesen. »Entschuldigung, Herrin«, sagte ich und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Ein Schiff!
    »Habt Ihr das Gefühl, daß Eure Zeit hier erfolgreich war, Doktor?«
    »Ich denke schon. Der König erfreut sich besserer Gesundheit als bei meiner Ankunft. Allein schon aus diesem Grund, wenn ich dies als mein Verdienst in Anspruch nehmen darf, hoffe ich, ein Gefühl von… Erfüllung haben zu können.«
    »Dennoch wird es schön sein, wenn Ihr zu Euresgleichen zurückkehrt, kann ich mir vorstellen.«
    »Ja, ich bin sicher, daß Ihr Euch das vorstellen könnt.«
    »Nun, ich muß jetzt gehen«, sagtet Ihr und erhobt Euch. Dann fügtet Ihr hinzu: »Es war seltsam, all diese Todesfälle in Yvenir, dann der treffliche Herzog Ormin und die drei Männer.«
    »Seltsam, Herr?«
    »So viele Messer, oder jedenfalls Klingen. Und dennoch wurden so wenige gefunden. Die Mordwaffen, meine ich.«
    »Ja. Seltsam.«
    Ihr wandtet Euch der Tür zu. »Das war eine unerfreuliche Sache neulich abends, in der Folterkammer.«
    Die Ärztin sagte nichts.
    »Ich bin froh, daß Ihr… unversehrt herausgekommen seid. Ich würde viel dafür geben zu erfahren, wie das erreicht wurde, aber ich würde das Wissen nicht für das Ergebnis eintauschen.« Ihr lächeltet. »Ich wage zu behaupten, daß wir uns wiedersehen werden, Doktor, doch falls nicht, wünsche ich Euch eine sichere Reise zurück nach Hause.«
     
    Und so, einen halben Mond später, stand ich mit der Ärztin an der Hafenmauer, umarmte sie und wurde umarmt und wußte, daß ich alles tun würde, um sie zum Bleiben zu bewegen oder um mit ihr reisen zu dürfen, und auch, daß ich sie niemals wiedersehen würde.
    Sie schob mich sanft weg. »Oelph«, sagte sie und schniefte die Tränen zurück. »Du darfst nicht vergessen, daß Doktor Hilbier einen formelleren Stil pflegt als ich. Ich achte ihn, aber er…«
    »Herrin, ich werde nichts von dem vergessen, was Ihr mir gesagt habt.«
    »Gut. Gut. Hier.« Sie griff in ihre Jackentasche, dann reichte sie mir einen versiegelten Umschlag. »Ich habe mit der Familie Mifeli vereinbart, daß du ein Konto bei ihnen haben kannst. Hier ist die Berechtigung. Du kannst die Erträge so verwenden, wie es dir beliebt, obwohl ich hoffe, du führst

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