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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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von dort wegzuholen, wenn nötig mit Gewalt.
    Man hat mir erzählt, daß meine Herrin sich ruhig mitten hinein in die schreckliche Verwirrung begab, die im Gemach des Königs herrschte, wo Adlige, Diener und, wie es schien, der halbe Hofstaat versammelt waren, jammernd und wehklagend.
    Sie hatte mich zusammen mit zwei Wachmännern in ihr Zimmer geschickt, um ihre Medizintasche zu holen. Wir überraschten dort einen von Herzog Quettils Dienern und einen anderen Wachmann. Beide wirkten erschreckt und schuldbewußt, weil sie in den Räumen der Ärztin erwischt worden waren. Herzog Quettils Mann hielt ein Blatt Papier in der Hand, das ich erkannte.
    Ich glaube, ich war noch nie in meinem ganzen Leben so stolz auf mich wegen einer Handlung wie wegen der, die ich als nächstes durchführte, denn ich fürchtete immer noch, daß meine Bestrafung nur verschoben und nicht aufgehoben war. Ich zitterte und schwitzte aufgrund meines Entsetzens über die Vorgänge, derer ich Zeuge geworden war, ich empfand Demut wegen der unreifen und feigen Regungen, die ich in der Folterkammer gehabt hatte, war beschämt wegen der Art, wie mich mein Körper verraten hatte und mein Geist sich noch immer drehte.
    Was ich tat, war, Quettils Diener die Notiz wegzunehmen.
    »Das ist Eigentum meiner Herrin!« zischte ich und trat vor, einen Ausdruck wilden Zorns im Gesicht. Ich riß dem Kerl das Papier aus der Hand. Er sah mich fassungslos an, dann die Notiz, die ich mir schnell ins Hemd schob. Er öffnete den Mund, um zu sprechen. Ich wandte mich, immer noch zitternd vor Zorn, den beiden Wachleuten zu, die mit mir geschickt worden waren. »Entfernt diese Person sofort aus diesen Gemächern!« sagte ich.
    Das war natürlich meinerseits ein Glücksspiel. In all der Aufregung war es unklar, ob die Ärztin und ich technisch gesehen noch Gefangene waren oder nicht, und deshalb hätten die beiden Wachleute richtigerweise zu dem Schluß kommen können, daß sie meine Gefangenenwächter waren, nicht meine Leibwächter, als welche ich sie behandelte. Ich möchte in aller Bescheidenheit behaupten, daß sie etwas durchschaubar Ehrliches und Wahrhaftiges in meiner rechtmäßigen Empörung erkannten und deshalb beschlossen, meinen Befehl zu befolgen.
    Der Mann des Herzogs sah verängstigt aus, tat jedoch, wie ihm geheißen. Ich knöpfte meine Jacke zu, um die Notiz noch besser zu sichern, fand die Tasche der Ärztin und eilte mit meinen Begleitern wieder zurück ins Gemach des Königs.
    Die Ärztin hatte den König auf die Seite gedreht. Sie kniete neben seinem Bett, strich ihm geistesabwesend über den Kopf und wehrte Fragen von Doktor Skelim ab. (Wahrscheinlich eine Reaktion auf etwas in seinem Essen. Etwas sehr Schädliches, aber kein Gift, erklärte sie ihm.)
    Ihr, Meister, standet mit verschränkten Armen neben der Ärztin. Herzog Quettil lauerte in einer Ecke und beobachtete sie.
    Sie nahm ein kleines, mit einem Glasstopfen verschlossenes Glasröhrchen aus der Tasche, hielt es ins Licht und schüttelte es. »Oelph, dies ist die Salzlösung Nummer einundzwanzig, mit Kräutern versetzt. Kennst du sie?«
    Ich dachte nach. »Ja, Herrin.«
    »Wir brauchen mehr davon, getrocknet, innerhalb der nächsten beiden Stunden. Weißt du noch, wie sie zubereitet wird?«
    »Ja, ich glaube schon, Herrin. Vielleicht wird es nötig sein, daß ich in Euren Aufzeichnungen nachsehe.«
    »Dann tu das. Ich bin sicher, deine beiden Wächter werden dir helfen. Also, los!«
    Ich wandte mich zum Gehen, dann reichte ich ihr die Notiz, die ich dem Mann des Herzogs abgenommen hatte. »Hier ist dieses Papier, Herrin«, sagte ich, dann wandte ich mich schnell um und ging weg, bevor sie Zeit hatte mich zu fragen, was es war.
    Ich vermißte den Aufruhr, als die Ärztin dem König auf die Nase schlug und ihm eine Hand fest auf den Mund drückte, bis er beinahe blau anlief. Ihr, Meister, hieltet die Einwände der anderen zurück, doch dann machtet Ihr Euch selbst Sorgen und wart im Begriff, sie mit vorgehaltenem Schwert zu verscheuchen, als sie die Nase des Königs losließ und das Pulver, das das Glasröhrchen enthalten hatte, ihm unter die Nüstern streute. Das rötliche Pulver sah aus wie getrocknetes Blut, war es aber nicht. Es drang pfeifend in den König ein, als er einen tiefen, gewaltigen Atemzug tat.
    Die meisten Leute im Raum hielten für einige Zeit den Atem an. Eine Zeitlang geschah nichts. Dann, so habe ich gehört, flackerten die Augen des Königs und öffneten sich. Er sah die

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