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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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eingeweiht.« Perrund lächelte.
    Wenn sie lebendig gewesen wäre, dachte sie, hätten ihre Knie auf dem kalten weißen Marmorfliesen inzwischen ein wenig geschmerzt, aber sie war tot, und deshalb belästigten sie eine fremde Person, die nichts mit ihr zu tun hatte. DeWars Gesicht war immer noch von Tränen gestreift. Seine Augen blickten starr, schienen sich aus ihren Höhlen zu wölben. »Aber mir wurde befohlen, meine Zeit abzuwarten, und zwar von König Quience persönlich«, sagte sie. »UrLeyn sollte sterben, aber nicht auf der Höhe seines Ruhmes und seiner Macht. Mir wurde befohlen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um ihn am Leben zu halten, bis zu dem Zeitpunkt, für den sein vollkommener Untergang geplant war.«
    Sie lächelte flüchtig und verhalten und bewegte den Kopf eine Spur, um ihren verkrüppelten Arm zu betrachten. »Das habe ich getan. Und im Laufe der Zeit war ich über jeden Verdacht erhaben.«
    Ein Ausdruck tiefsten Entsetzens machte sich auf DeWars Gesicht breit. Es war, so dachte sie, als ob sie in das Gesicht von jemandem sähe, der unter Todesqualen und voller Verzweiflung gestorben war.
    Sie hatte UrLeyns Gesicht nicht gesehen, hatte es auch nicht sehen wollen. Sie hatte behauptet, zum Empfang einer bestimmten Nachricht weggerufen worden zu sein; dann hatte sie abgewartet, bis er von einem Weinkrampf geschüttelt worden war und unter heftigem Schluchzen das Gesicht im Kissen vergraben hatte; schließlich hatte sie sich erhoben, hatte eine schwere Bernsteinvase mit der unversehrten Hand hochgehoben und diese krachend auf seinen Hinterkopf herabsausen lassen. Das Schluchzen hatte aufgehört. Er hatte sich nicht mehr bewegt und keinen Laut mehr von sich gegeben. Sie hatte ihm der Gründlichkeit halber die Kehle aufgeschlitzt, wobei sie rittlings auf seinem Rücken saß, und noch immer hatte sie sein Gesicht nicht gesehen.
    »Quience steckte hinter alledem«, sagte DeWar. Seine Stimme klang erstickt, als ob er ein Schwert an der Kehle hätte, nicht sie. »Er hat den Krieg, das Vergiften, geplant.«
    »Das weiß ich nicht, DeWar, aber ich könnte es mir vorstellen.« Sie sah vielsagend auf die Schwertklinge hinab. »DeWar.« Sie sah ihm mit einem verletzten, flehenden Ausdruck in die Augen. »Mehr kann ich Euch nicht erzählen. Das Gift wurde von Unschuldigen an das Armenhospital geliefert, wo es in meine Hände gelang. Niemand von meinen Bekannten wußte, was es war oder wofür es bestimmt war. Wenn Ihr das Kindermädchen ebenfalls festgenommen habt, dann habt Ihr alle an unserer Verschwörung Beteiligten. Es gibt nicht mehr zu erzählen.« Sie hielt inne. »Ich bin bereits tot, DeWar. Bitte, wenn Ihr das Werk vollenden wollt. Ich bin mit einemmal so müde.« Sie entspannte die Muskeln, die ihren Kopf stützten, so daß ihr Kinn auf der Klinge ruhte. Mittelbar durch sie hielt DeWar nun das ganze Gewicht ihres Kopfes und seiner Erinnerungen.
    Das Metall, inzwischen warm geworden, senkte sich langsam unter ihr, so daß sie verhindern mußte, vornüberzufallen und an den Rand des Brunnenbeckens zu schlagen. Sie blickte auf. DeWar, dessen Kopf ebenfalls tief geneigt war, schob das Schwert wieder in die Scheide.
    »Ich habe ihm gesagt, der Junge sei tot, DeWar«, sagte sie wütend. »Ich habe ihn angelogen, bevor ich seinen dreckigen Schädel zermalmte und seine dürre Altmännerkehle aufschlitzte!« Sie stand mühsam auf, gegen den Widerstand ihrer Gliedmaßen. Sie ging zu DeWar und griff mit ihrer unversehrten Hand nach seinem Arm. »Wollt Ihr mich den Wachen und dem Folterer übergeben? Lautet so Euer Urteil?«
    Sie schüttelte ihn, aber er antwortete nicht. Sie senkte den Blick, dann packte sie die nächst greifbare Waffe, sein langes Messer. Sie zog es aus der Scheide. Er sah erschreckt aus und machte zwei schnelle Schritte rückwärts, von ihr weg, aber er hätte verhindern können, daß sie es nahm, und das hatte er nicht getan.
    »Dann mache ich es selbst«, sagte sie und führte das Messer schnell an ihren Hals. Sein Arm fuchtelte wild herum. Sie sah Funken vor ihrem Gesicht. Ihre Hand brannte schmerzhaft, noch bevor ihre Augen und ihr Geist richtig mitbekommen hatten, was geschehen war. Das Messer, das er ihr aus der Hand geschlagen hatte, krachte gegen die Wand und landete mit metallischem Scheppern auf dem Marmorboden. Das Schwert hing wieder in seiner Hand.
    »Nein«, sagte er und ging auf sie zu.

 
Epilog
     
     
    Nachdem ich dies geschrieben habe, kommt mir zu Bewußtsein,

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