Inversionen
alles besser. Glaubt Ihr das auch, DeWar?«
»Nein, edle Dame, das glaube ich nicht.« Er sah ihr in die Augen. »Ich meine, über die alten Zeiten wird viel Unsinn geredet.«
»Aber, DeWar, es waren Zeiten der Legenden, Zeiten der Helden!« sagte die Dame Perrund, wobei ihre Miene verriet, daß sie das nicht so ganz ernst meinte. »Alles war besser, alle behaupten das.«
»Einige von uns ziehen die Geschichte den Legenden vor, edle Dame«, sagte DeWar mit Nachdruck, »und manchmal täuschen sich alle.«
»Ach ja?«
»Aber gewiß. Einst dachte jedermann, die Welt sei eine flache Scheibe.«
»Viele glauben das heute noch«, sagte die Dame Perrund und hob eine Augenbraue. »Einige Bauern halten an dem Glauben fest, sie könnten von ihren Feldern herunterkippen, und viele von uns, die die Wahrheit kennen, können sich nur schwer damit abfinden.«
»Dennoch ist es so.« DeWar lächelte. »Man kann es beweisen.«
Die Dame Perrund lächelte. »Mit Stöcken, die man in den Boden steckt?«
»Und Schatten und Mathematik.«
Die Dame Perrund richtete ein flüchtiges Nicken zur Seite. Das war eine ihrer manierierten Gesten, die gleichzeitig Zustimmung und Ablehnung ausdrückte. »Was für eine klar umrissene, wenn auch ziemlich trostlose Welt, in der Ihr anscheinend lebt, DeWar.«
»Es ist dieselbe Welt, in der alle leben, wenn sie es nur wüßten, edle Dame. Es ist einfach so, daß nur ein paar von uns die Augen offen haben.«
Die Dame Perrund atmete tief ein. »Oh! Also dann müßten diejenigen von uns, die immer noch mit fest geschlossenen Augen herumstolpern, solchen Leuten wie Euch dankbar sein, meine ich.«
»Ich hätte gedacht, daß zumindest Ihr, edle Dame, keinen Bedarf an einem sichtbegabten Führer haben würdet.«
»Ich bin nur eine verkrüppelte, ungebildete Konkubine, DeWar. Eine arme Waise, die womöglich ein schreckliches Schicksal gehabt hätte, wenn nicht der Blick des Protektors auf sie gefallen wäre.« Sie brachte ihren verkrüppelten Arm in Bewegung, indem sie die linke Schulter verschob. »Bedauerlicherweise habe ich zusätzlich zu dem Blick später auch noch einen Schlag abbekommen, aber ich bin über das eine so froh wie über das andere.« Sie verstummte, und DeWar holte Luft, um zu sprechen, doch sie wies mit einem Nicken zum Spielbrett hinunter und sagte: »Habt Ihr die Absicht, jetzt Euren Zug zu machen, oder nicht?«
DeWar seufzte und deutete auf das Brett. »Hat das einen Sinn, wenn ich ein so unfähiger Gegner bin?«
»Ihr müßt spielen, und auf Sieg spielen, selbst wenn Ihr wißt, daß Ihr wahrscheinlich verlieren werdet«, erklärte die Dame Perrund. »Sonst hättet Ihr von Anfang an nicht einwilligen dürfen mitzuspielen.«
»Ihr habt das Wesen des Spiels verändert, als Ihr mich über meine Schwäche in Kenntnis setztet.«
»O nein, das Spiel war immer dasselbe, DeWar«, entgegnete die Dame Perrund, die sich plötzlich aufrichtete und mit Augen, die zu blitzen schienen, einigermaßen wohlgefällig hinzufügte: »Ich habe Euch nur die Augen dafür geöffnet.«
DeWar lachte. »Das habt Ihr wahrhaftig getan, edle Dame.« Er beugte sich vor und setzte an, seine Protektor-Figur zu bewegen, doch dann lehnte er sich mit einer verzweifelten Geste wieder zurück und sagte: »Nein. Ich gebe mich geschlagen, edle Dame. Ihr habt gewonnen.«
Es kam einige Bewegung in die Gruppe der Konkubinen in der Nähe der Tür, die in den übrigen Teil des Harems führte. In seiner hohen Kanzel erhob sich der Chefeunuche Stike schwabbelnd auf die Beine und verbeugte sich vor der kleinen Gestalt, die in den langen Raum geeilt kam.
»DeWar!« rief der Protektor UrLeyn und zog sich die Jacke über die Schulter, während er auf sie zuschritt. »Und die Dame Perrund! Meine Liebe! Mein Schatz!«
Die Dame Perrund stand plötzlich, und DeWar beobachtete, wie wieder Leben in ihr Gesicht kam, die Augen weiteten sich, ihr Ausdruck wurde weich, und ihr Gesicht erblühte zu einem überaus betörenden Lächeln, während sich UrLeyn näherte. DeWar stand ebenfalls auf, und der Anflug einer beleidigten Miene verschwand sofort, um von einem erleichterten Lächeln und dem Ausdruck professioneller Ernsthaftigkeit abgelöst zu werden.
3. Kapitel
Die Ärztin
Meister, Ihr wolltet insbesondere über irgendwelche Einzeleinsätze etwas erfahren, die die Ärztin außerhalb des Palastes von Efernze hatte. Das, über das ich jetzt berichten werde, fand an dem Nachmittag des nächsten Tages statt, nachdem wir in
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