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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die verborgene Kammer gerufen worden waren und die Begegnung mit dem Foltermeister Nolieti hatten.
    Ein Unwetter tobte über der Stadt und verwandelte den Himmel in eine dunkel brodelnde Masse. Blitze spalteten diese Düsternis mit einer blendenden Helligkeit, die darum kämpfte, die Schwärze der Wolken auseinanderzustemmen und wieder zur Erde hinunter zu scheinen, für wie kurze Zeit auch immer. Die westlichen Gewässer von Kratersee schlugen gegen die alten Hafenmauern der Stadt und klatschten zwischen den verlassenen äußeren Docks. Sogar die Schiffe im Schutz der inneren Kaimauern rollten und schaukelten unbehaglich hin und her, und ihre Rümpfe drückten gegen die Fender aus hohlen Stangen, so daß diese empört quietschten und knackten, während ihre hohen Masten am schwarzen Himmel schwankten wie ein Wald aus widerstreitenden Metronomen.
    Der Wind pfiff durch die Straßen der Stadt, während wir zum Blasentor und dann über den Marktplatz in Richtung Mietskasernen gingen. Eine leere Verkaufsbude war über den Platz geweht worden, und ihre schlaffe Markise flappte und zerriß in den Böen und schlug gegen die Pflastersteine wie ein geschlagener Ringkämpfer, der um Gnade winselnd am Boden liegt.
    Der Regen kam in brausenden Strömen nieder, stechend und kalt. Die Ärztin reichte mir ihre schwere Medizintasche, um den Umhang fester um sich zu ziehen und besser zuzuknöpfen. Ich denke immer noch, daß dieser – genau wie ihre Jacke und ihr Übermantel – eigentlich purpurn sein müßte, da sie Ärztin ist. Doch als sie vor zwei Jahren hier ankam, ließen die Ärzte der Stadt durchblicken, daß sie hinsichtlich der äußeren Statusmerkmale ihres Berufsstandes in ihrem Fall einige Skepsis hegten, und die Ärztin selbst schien dieser Frage völlig gleichgültig gegenüberzustehen, also trug sie in der Regel überwiegend dunkle und schwarze Kleidung (obwohl ich manchmal, unter bestimmten Lichtverhältnissen, in einigen Kleidungsstücken, die sie sich für viel Geld von einem der Hofschneider anfertigen ließ, einen Anflug von Purpur in dem Gewebe zu entdecken glaubte).
    Die jämmerliche Gestalt, die uns in diese abscheuliche Gegend geholt hatte, humpelte vor uns her und sah sich immer wieder nach uns um, als ob sie sich versichern wollte, daß wir noch da waren. Wie sehr ich mir wünschte, wir wären es nicht gewesen! Wenn es je einen Tag gab, der sich dafür eignete, sich an einem prasselnden Feuer zusammenzukuscheln, am besten mit einer Tasse Glühwein und einem Heldenroman, so war dies einer. Apropos, eine harte Bank, eine lauwarme Tasse Blättertee und einer der empfohlenen medizinischen Texte der Ärztin wären mir, verglichen mit dieser Situation, wie die Glückseligkeit vorgekommen.
    »Dreckswetter, was, Oelph?«
    »Ja, Herrin.«
    Angeblich haben die Unwetter seit dem Fall des Reiches erheblich zugenommen, was entweder daran liegt, daß die Vorsehung jene bestraft, die dazu beigetragen haben, es zu stürzen, oder daß ein kaiserlicher Geist Rache aus dem Jenseits übt.
    Das Gör, das uns in diese absurde Mission gelockt hatte, war eine humpelbeinige Kleine aus dem Elendsviertel. Die Palastwachen hatten sie nicht einmal in die äußere Bastion eingelassen. Es war reines Pech gewesen, daß irgendein Narr von Diener, der den Wachen eine Anweisung überbrachte, das widerwärtige Flennen des Abschaums hörte und Mitleid hatte; er suchte die Ärztin, fand sie in ihrem Arbeitszimmer – wo sie mit meiner Hilfe ihre ätzenden geheimen Ingredienzien im Mörser zerstampfte – und ausrichtete, daß ihre Dienste vonnöten seien. Bei einem Bastard aus den Slums! Ich konnte es nicht glauben, als sie einwilligte zu kommen. Hörte sie denn nicht den Sturm, der um die Laternen im Dach über uns ächzte? War sie taub für das Gurgeln von Abflußwasser in den Wänden?
    Wir befanden uns auf dem Weg zum Sprößling einer mittellosen Familie, die entfernt verwandt war mit der Dienerschaft der Mifelis, der Häuptlinge des Handelsclans, für den die Ärztin anfangs gearbeitet hatte, als sie nach Haspide gekommen war. Die Leibärztin des Königs war im Begriff, bei einem Unwetter nicht etwa einer hochgestellten adeligen Persönlichkeit, jemandem, der sehr wahrscheinlich für einen Adelstitel vorgesehen war oder zumindest eine angesehene Persönlichkeit darstellte, einen Besuch abzustatten, sondern einer Familie von geistig minderbemittelten und ständig vom Pech verfolgten Typen, einer Sippe von ungeziefergeplagten Nichtsnutzen

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