Inversionen
»Gebt nicht so schnell auf! Streitet!«
»Ich kann nicht. Ihr habt recht. Ich bin nur froh, daß Ihr meint, meine Besessenheit könnte durchaus auch etwas Löbliches haben. Aber es ist genau so, wie Ihr sagt. Mein Beruf ist mein Leben, und ich bin niemals außer Dienst. Und ich werde es niemals sein, bis zu meiner Entlassung, bis ich in meiner Arbeit versage oder - die Vorsehung möge eine solche vage Möglichkeit in die ferne Zukunft rücken – der Protektor eines natürlichen Todes stirbt.«
Die Dame Perrund senkte den Blick auf das Spielbrett.
»In einem reifen Alter, wie man zu sagen pflegt«, pflichtete sie bei, bevor sie wieder zu ihm aufsah. »Und habt Ihr immer noch das Gefühl, daß Euch etwas entgeht, das ein solches natürliches Ende verhindern könnte?«
DeWar machte ein unbeholfenes Gesicht. Er nahm die Protektor-Figur wieder in die Hand und sagte mit gedämpfter Stimme, als ob er mit ihr spräche: »Sein Leben ist in größerer Gefahr, als alle hier anscheinend meinen. Gewiß ist es in größerer Gefahr, als er anscheinend selbst glaubt.« Er hob den Blick zur Dame Perrund, und ein kleines, zaghaftes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Oder bin ich schon wieder zu besessen?«
»Ich weiß nicht«, sagte die Dame Perrund, wobei sie weiter nach vorn rutschte und die Stimme ebenfalls senkte, »warum Ihr so sicher seid, daß die Leute seinen Tod wollen.«
»Natürlich wollen die Leute seinen Tod«, sagte DeWar. »Er hatte den Mut, einen Königsmord zu begehen, die Kühnheit, eine neue Regierungsform zu schaffen. Die Könige und Herzöge, die sich dem Protektor von Anfang an widersetzten, entdeckten in ihm einen weitaus begabteren Politiker und besseren Feldkommandanten, als sie erwartet hatten. Mit großem Geschick und ein wenig Glück konnte er sich an der Macht halten, und die Akklamation der neu Amnestierten in Tassasen hat es für alle anderen im alten Königreich oder überhaupt irgendwo im alten Reich schwierig gemacht, sich ihm direkt zu widersetzen.«
»Es muß ein ›Aber‹ oder ein ›Jedoch‹ geben, das hier gleich zur Sprache kommen wird«, sagte die Dame Perrund. »Das spüre ich.«
»Gewiß. Aber es gibt jene, die zwar UrLeyns Machtantritt mit jedem nur möglichen Ausdruck der Begeisterung begrüßt haben und die ihre üblichen Pfade verlassen haben, um ihn in der Öffentlichkeit zu unterstützen, die jedoch insgeheim wissen, daß ihre eigene Existenz – oder zumindest ihre eigene Überlegenheit – durch seine fortbestehende Herrschaft bedroht ist. Das sind diejenigen, derentwegen ich mir Sorgen mache, und sie müssen bereits ihre Pläne hinsichtlich unseres Protektors geschmiedet haben. Die ersten wenigen Versuche von Mordanschlägen schlugen fehl, aber nur knapp. Und nur Eure Tapferkeit hat den entschlossensten von allen vereitelt, edle Dame«, sagte DeWar.
Die Dame Perrund wandte den Blick ab, und ihre unversehrte Hand berührte die verkrüppelte. »Ja«, sagte sie. »Ich habe Eurem Vorgänger gesagt, daß er, nachdem ich eingesprungen war, um seine Aufgabe zu erledigen, er sich so anständig hätte verhalten und versuchen sollen, eines Tages die meine zu erledigen, aber er lachte nur.«
DeWar lächelte. »Kommandant ZeSpiole erzählt diese Geschichte selbst heute noch.«
»Hmm. Nun, vielleicht leistet ZeSpiole als Befehlshaber der Palastwache so gute Arbeit, indem er potentielle Mörder vom Palast fernhält, daß keiner davon jemals nach der Nähe trachtet, die Euren Einsatz verlangen würde.«
»Mag sein, aber wie auch immer, eines Tages kommen sie wieder«, sagte DeWar ruhig. »Ich wünschte beinahe, sie wären inzwischen schon wieder da. Das Ausbleiben herkömmlicher Attentäter bestärkt mich nur in meiner Überzeugung, daß es hier einen sehr speziellen Mörder gibt, der nur auf die richtige Zeit zum Zuschlagen wartet.«
Die Dame Perrund sah besorgt aus, sogar traurig, fand der Mann. »Ach, DeWar«, sagte sie, »ist das keine zu düstere Betrachtungsweise? Vielleicht gibt es einfach deshalb keine versuchten Anschläge auf das Leben des Protektors, weil derzeit niemand mehr ihn tot sehen möchte. Warum geht Ihr von der bedrückendsten Erklärung aus? Könnt Ihr denn nie, wenn schon nicht entspannt, so doch wenigstens zufrieden sein?«
DeWar holte tief Luft und stieß sie dann wieder aus.
Er stellte die Protektor-Figur wieder auf das Brett. »Die jetzigen Zeiten sind nicht dazu angetan, daß Leute in meinem Beruf entspannt sein könnten.«
»Angeblich war früher
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