Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
mit ansteckenden Krankheiten, die nicht einmal Bedienstete waren, sondern der Anhang von Bediensteten, wandelnde Schmarotzer der Stadt und des Landes.
    Ohne Geld und ohne Hoffnung, um es kurz zu sagen, und selbst die Ärztin hätte vielleicht soviel Verstand gehabt abzulehnen, wenn nicht der Umstand gewesen wäre, daß sie auf bizarrem Wege von diesem kränkelnden Balg gehört hatte. »Sie hat eine Stimme aus einer anderen Welt«, hatte sie mir erklärt, während sie sich ihren Umhang umwarf, als ob damit alles erklärt wäre, was zu erklären war.
    »Bitte, beeilt Euch, Herrin!« wimmerte das Gör, das gekommen war, um uns zu holen. Ihr Akzent war breit und ihre Stimme klang durch ihre krankhaft dunklen Zahnstümpfe verdrießlich.
    »Sag du nicht der Ärztin, was sie tun soll, du stinkiges Stück Scheiße!« schimpfte ich – ein Versuch, hilfreich zu sein. Die lahmende Mißgeburt humpelte vor uns her, über die schimmernden Pflastersteine des Platzes.
    »Oelph! Sei so gut und bedien dich einer zivilisierten Sprache«, mahnte mich die Ärztin und nahm mir die Medizintasche aus der Hand.
    »Aber, Herrin!« protestierte ich. Wenigstens hatte die Ärztin gewartet, bis unsere humpelnde Führerin außer Hörweite war, bevor sie mich tadelte.
    Sie verengte die Augen zu Schlitzen, um sie gegen den peitschenden Regen zu schützen, und hob die Stimme über das Heulen des Windes. »Meinst du, wir könnten eine Droschke bekommen?«
    Ich lachte, dann wandelte ich die beleidigenden Töne in ein Husten um. Ich sah mich mit großem Aufhebens in alle Richtungen um, während wir uns dem unteren Rand des Platzes näherten, wo das lahmende Kind in einer schmalen Straße verschwunden war. Ich konnte mit Mühe ein paar Straßenreiniger entlang der östlichen Seite des Platzes erkennen, deren Lumpen ihnen an den Leibern flatterten, während sie die halbverfaulten Blätter und regendurchtränkten Hülsen einsammelten, die von der Mitte des Platzes, wo der Gemüsemarkt abgehalten worden war, dorthin geweht worden waren. Ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Und ganz bestimmt kein Droschkenkutscher, Rikschakuli oder Sänftenträger. Sie waren nicht so dumm, bei so einem Wetter draußen zu sein. »Ich glaube nicht, Herrin.«
    »O je«, sagte die Ärztin und schien zu zögern. Einen wundervollen Augenblick lang dachte ich, sie könnte zur Vernunft kommen und uns beide nach Hause in die Wärme und Behaglichkeit ihrer Wohnung beordern, aber es sollte nicht so sein. »Na ja«, sagte sie und hielt sich den Halsausschnitt ihres Umhangs fest zu, zog sich den Hut tiefer über das hochgeschobene Haar und senkte den Kopf, um weiterzueilen. »Kann man nichts machen. Komm, Oelph!«
    Kaltes Wasser kroch mir den Hals hinab. »Komme schon, Herrin.«
     
    Bis dahin war der Tag einigermaßen gut verlaufen. Die Ärztin hatte gebadet, hatte weitere Zeit damit verbracht, Eintragungen in ihr Tagebuch zu machen, dann hatten wir den Gewürzmarkt und den nahegelegenen Basar besucht, während sich das Unwetter immer noch erst als dunkles Gebräu am westlichen Horizont anbahnte. Sie hatte sich mit einigen Kaufleuten und anderen Ärzten im Haus eines Bankiers getroffen, um über die Gründung einer Schule für Ärzte zu sprechen (ich war zu den Bediensteten in die Küche verwiesen worden, deshalb hörte ich nichts von Bedeutung und wenig Sinnvolles), dann gingen wir forsch zu Fuß zurück zum Palast, während sich der Himmel immer mehr bewölkte und die ersten wenigen Regenböen von der äußeren Hafenanlage hereinwehten. Ich beglückwünschte mich freudig, aber irrigerweise dazu, vor dem Einsetzen des Unwetters in die Wärme und Behaglichkeit des Palastes zu entkommen.
    Eine Notiz an der Tür zum Zimmer der Ärztin ließ uns wissen, daß der König sie zu sehen wünschte, und also hieß es, sich sofort auf den Weg zu seinen Privatgemächern zu machen, sobald wir unsere Taschen mit Gewürzen, Beeren, Wurzeln und verschiedenen Erdsorten abgesetzt hatten. Ein Diener trat uns im Langen Flur mit der Nachricht in den Weg, daß der König in einem Übungsduell verwundet worden sei, und wir eilten zu den Spielsälen – wobei uns das Herz bis in den Hals klopfte.
     
    »Hoheit, ein Blutegel! Wir haben die besten! Den seltenen Kaiser-Blutegel, aus Brotechen!«
    »Unfug! Ein Aderlaß mittels Brennglas ist erforderlich, und danach ein Emetikum!«
    »Ein schlichter Aderlaß reicht vollkommen. Euer Majestät, wenn ich…«
    »Nein! Laßt mich in Ruhe, ihr verkalkten

Weitere Kostenlose Bücher