Inversionen
gut es ging, unter einem überströmenden Ablauf ab, wrang ihn aus und schnupperte daran, dann warf ich ihn weg.
Nach einer Weile fand ich die Hafenanlagen; inzwischen war ich wieder bis auf die Haut durchnäßt. Ich machte vergeblich Jagd nach einem Lagerhaus für Eis, und wurde in unmißverständlichen Worten darüber aufgeklärt – und zwar von den wunderlichen seefahrenden und handeltreibenden Typen, die ich in einigen kleinen baufälligen Büros und ein paar vollen, verrauchten Kneipen entdeckte –, daß ich am falschen Ort war, um Lagerhäuser für Eis zu finden. Dies war der Salzfischmarkt. Ich konnte das bestätigen, als ich auf einigen Fischinnereien ausrutschte, die verfaulend in einer vom Wind gekräuselten Pfütze lagen, und beinahe in das aufgewühlte, klatschende Wasser des Hafenbeckens gefallen wäre. Ich hätte durch einen solchen Sturz kaum nasser werden können, aber im Gegensatz zur Ärztin kann ich nicht schwimmen. Schließlich sah ich mich gezwungen – durch eine hohe Steinmauer, die unvermittelt auf einem windgepeitschten Kai aufragte und sich in die Ferne erstreckte –, wieder bergauf zu gehen, in das Labyrinth von Mietskasernen.
Die Kinder hatten mich geschlagen. Ich kehrte zu dem verfluchten Gebäude zurück, mißachtete die angstvollen Bedrohungen der faulig riechenden alten Vettel an der Tür, schleppte mich vorbei an den üblen Gerüchen und durch den Mißklang von Lauten die Treppe hinauf, folgte einer Spur dunkler Wasserflecken im obersten Stock, wo das Eis angeliefert worden und das Mädchen hineingepackt worden war, immer noch bedeckt vom Umhang der Ärztin und jetzt wieder umringt von ihren Geschwistern und Freunden.
Das Eis war zu spät gekommen. Wir waren zu spät gekommen, vielleicht um einen Tag oder so. Die Ärztin hatte sich durch die Nacht gekämpft, hatte alles versucht, was ihr einfiel, doch das Mädchen war ihr entwischt, in einem flammenden Fieber, das das Eis nicht hatte lindern können, und irgendwann um die Zeit, als der Sturm allmählich nachließ, um Mitternacht von Xamis, während sich Seigen immer noch bemühte, die Fetzen der Sturmwolken zu durchbohren, und die Stimmen der Sänger davongetragen wurden und sich in der Schnelligkeit des Windes verloren, starb das Kind.
4. Kapitel
Der Leibwächter
»Laßt mich ihn durchsuchen, General.«
»Wir können ihn nicht durchsuchen, DeWar, er ist ein Botschafter.«
»ZeSpiole hat recht, DeWar. Wir können ihn nicht behandeln, als wäre er irgendein tölpelhafter Untertan vom Land.«
»Natürlich nicht, DeWar«, sagte BiLeth, der des Protektors Ratgeber in den meisten außenpolitischen Angelegenheiten war. Er war ein großer, dünner, majestätisch wirkender Mann mit langem, schütterem Haar und einem aufbrausenden, nicht zu übergehenden Temperament. Er bemühte sich, so gut es ging, an seiner dünnen Nase entlang auf den größeren DeWar hinabzusehen. »Möchtet Ihr denn, daß wir als ungehobelte Grobiane dastehen?«
»Der Botschafter kommt bestimmt mit der gesamten üblichen diplomatischen Begleitung«, sagte UrLeyn, wobei er auf der Terrasse weiterschritt.
»Von einer der Meeresgesellschaften, Herr«, protestierte DeWar. »Man kann sie wohl kaum als traditionelle kaiserliche Delegation bezeichnen. Sie tragen die entsprechende Kleidung und den entsprechenden Schmuck und die Amtsketten, aber paßt das alles?«
»Was heißt ›paßt das‹?« sagte UrLeyn verständnislos.
»Ich glaube«, sagte ZeSpiole, »der Oberste Leibwächter meint, daß all ihre Luxusartikel gestohlen sind.«
»Ha!« stieß BiLeth mit einem Kopfschütteln hervor.
»Jawohl, und das erst vor kurzem«, bestätigte DeWar.
»Nichtsdestoweniger«, sagte UrLeyn. »In der Tat, deswegen erst recht.«
»Herr?«
»Deswegen erst recht?«
BiLeth sah für einen Augenblick verwirrt aus, dann nickte er weise.
General UrLeyn hielt plötzlich auf den weißen und schwarzen Fliesen der Terrasse inne. DeWar schien im selben Augenblick anzuhalten, ZeSpiole und BiLeth eine Sekunde später. Jene, die ihnen auf der Terrasse zwischen den Privatgemächern und den offiziellen Hofgemächern gefolgt waren – Generäle, Adjutanten, Schreiberlinge und Amtsverwalter, die üblichen Begleiter – prallten mit einem gedämpften Klappern von Rüstungen, Schwertern und Schreibbrettern aufeinander, als sie hinter den anderen zum Halt kamen.
»Die Meeresgesellschaften könnten um so wichtiger sein, nun da das alte Reich in Scherben liegt, meine Freunde«,
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