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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Einigen – vor allem den Zugtieren – hatte man Beutel über die Köpfe gestülpt. Die besseren Reittiere hatten elegante Scheuklappen, während die allerbesten eigene Reiseställe besaßen und die geringerwertigen Tiere lediglich Augenbinden aus irgendeinem Lumpen, der gerade zur Hand gewesen war, trugen. Eines nach dem anderen legte sich mit eingefalteten Gliedmaßen zu Boden und bereiteten sich aufs Schlafen vor. Jollisce und ich gingen zwischen ihnen hindurch; Jollisce rauchte eine lange Pfeife. Er war mein ältester und bester Freund, aus der Zeit, als ich kurz im Dienst des Herzogs gestanden hatte, bevor ich nach Haspide geschickt worden war.
    »Wahrscheinlich ist gar nichts«, sagte er. »Feulecharo hört sich gern selbst reden, und er tut gern so, als ob er etwas wüßte, das alle anderen nicht wissen. Ich würde mir deswegen keine Sorgen machen, aber wenn du meinst, du solltest deiner Herrin davon berichten, dann mußt du das natürlich tun.«
    »Hmm«, sagte ich. Ich erinnere mich (aus meiner heutigen reiferen Sicht auf mein früheres Ich zurückblickend), daß Herzog Walen ein mächtiger Mann und ein Ränkeschmied war. Er gehörte nicht zu der Sorte Männer, bei denen es sich die Ärztin leisten konnte, sie als Feinde zu haben, und dennoch mußte ich sowohl an meinen eigenen, echten Meister als auch an meine Herrin denken. Sollte ich keinem von beiden etwas sagen? Oder nur einem – falls ja, welchem? Oder beiden?
    »Hör zu«, sagte Jollisce, der stehenblieb und sich mir zuwandte (und es schien mir so, als habe er gewartet, bis niemand in der Nähe war, bevor er sein letztes bißchen Geheimwissen preisgab). »Wenn es dir irgendwie hilft – ich habe gehört, daß Walen vielleicht jemanden nach Äquatorial Cuskery geschickt hat.«
    »Cuskery?«
    »Ja, kennst du es?«
    »Ich habe davon gehört. Es ist ein Hafen, stimmt’s?«
    »Hafen, Stadtstaat, Stützpunkt der Meeresgesellschaften, Behausung irgendwelcher Meeresungeheuer, wenn man manchen Leuten glauben will… aber entscheidend ist, daß es ungefähr der nördlichste Punkt ist, an den Menschen aus dem Süden in größerer Zahl kommen, und angeblich haben sie dort eine beträchtliche Anzahl von Botschaften und Legationen.«
    »Ja?«
    »Nun, offenbar wurde einer der Männer von Herzog Walen nach Cuskery geschickt, um jemanden aus Drezen zu suchen.«
    »Aus Drezen!« entfuhr es mir laut, dann dämpfte ich die Stimme, als Jollisce die Stirn runzelte und sich in alle Richtungen umsah, über die schlafenden Körper der großen Tiere hinweg. »Aber… warum denn?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Jollisce.
    »Wie lange braucht man nach Cuskery?«
    »Es dauert beinahe ein Jahr, um dorthin zu kommen. Angeblich geht die Rückreise etwas schneller.« Er zuckte die Achseln. »Muß wohl am Wind liegen.«
    »Das ist ein weiter Weg, um jemanden zu schicken«, sagte ich erstaunt.
    »Ich weiß«, sagte Jollisce. Er zog an seiner Pfeife. »Mein Gewährsmann vermutet, daß es um irgendeinen Handel geht. Du weißt schon, die Leute erwarten ständig, mit Gewürzen oder Giften oder neuartigen Früchten oder irgend etwas ein Vermögen zu machen, sofern sie das Zeug an den Meeresgesellschaften vorbeischleusen und den Stürmen entkommen, aber, nun ja, meinem Herrn sind bestimmte Informationen zugegangen, nach denen Walens Mann nur nach einer einzigen Person sucht.«
    »Oh.«
    »Hmm.« Jollisce stand da und betrachtete das Xamis-Schauspiel; sein Gesicht war gerötet durch den Schein der flammenfarbigen Wolken im Westen. »Hübscher Sonnenuntergang«, sagte er und zog tief an seiner Pfeife.
    »Sehr«, pflichtete ich ihm bei, ohne eigentlich hinzusehen.
    »Die besten gab es natürlich damals, um die Zeit, als das Reich fiel. Findest du nicht?«
    »Hmm? O ja, klar.«
    »Die Entschädigung der Vorsehung dafür, daß der Himmel auf uns herabgefallen ist«, sinnierte Jollisce und blickte stirnrunzelnd in den Pfeifenkopf.
    »Hmm. Ja.« Wem etwas sagen? dachte ich. Wem etwas sagen…?
     
    Meister, die Ärztin war jeden Tag während der Umsiedlung von Haspide nach Yvenir beim König im Zelt, denn unser Monarch litt unter Rückenschmerzen.
    Die Ärztin saß auf der Kante des Bettes, in dem König Quience lag. »Wenn er wirklich so sehr schmerzt, Herr, dann solltet Ihr ihm Ruhe gönnen«, sagte sie zu ihm.
    »Ruhe?« sagte der König und drehte sich auf den Bauch. »Wie kann ich mich ausruhen? Dummes Geschwätz – wir befinden uns mitten im Zirkulirium! Wenn ich mich ausruhe, dann

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