Inversionen
machen das alle anderen auch, und wenn wir dann im Sommerpalast ankommen, wird es bereits wieder Zeit sein, die Rückreise anzutreten.«
»Nun«, sagte die Ärztin und zog das Hemd des Königs aus seinen Reitstiefeln, um seinen breiten, muskulösen Rücken zu entblößen. »Ihr könntet in einer Kutsche auf dem Rücken liegen, Herr.«
»Das würde auch weh tun«, sprach er in sein Kissen.
»Es würde vielleicht ein wenig weh tun, aber es würde bald besser werden. Wenn Ihr hingegen auf einem Reittier sitzt, wird es nur noch schlimmer werden.«
»Diese Kutschen, sie schaukeln von einer Seite zur anderen, und die Räder poltern in Löcher und Rillen. Die Straßen sind in einem viel schlechteren Zustand als letztes Jahr, dessen bin ich sicher. Wiester?«
»Hoheit?« sagte der fette Kammerherr, der eilends aus dem Schatten an die Seite des Königs getreten war.
»Laß von jemandem feststellen, wer für diesen Streckenabschnitt der Straße verantwortlich ist. Werden die angemessenen Steuern eingezogen? Falls ja, werden sie dafür verwendet, und falls nein, wohin fließt das Geld?«
»Sofort, Hoheit.« Wiester huschte geschäftig zum Zelt hinaus.
»Man kann den Herzögen in bezug auf die Steuererhebung nicht vertrauen, Vosill«, seufzte der König. »Zumindest kann man ihren Steuereintreibern nicht vertrauen. Sie besitzen zuviel Autorität. Nach meinem Geschmack haben sich entschieden zu viele Steuereintreiber Baronien gekauft.«
»Wahrhaftig, Herr«, sagte die Ärztin.
»Ja. Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht eine Einrichtung wie in den Städten schaffen sollte, so etwas wie eine…«
»Behörde, Herr?«
»Ja, eine Behörde. Ich denke da an einen Rat verantwortungsvoller Bürger. Anfangs vielleicht nur, um die Oberaufsicht über die Straßen und Stadtmauern zu führen. Dinge, um die sie sich vielleicht eingehender kümmern als die Herzöge, denen es nur um ihre eigenen Häuser geht und darum, wieviel Wild in ihrem Park ist.«
»Ich bin sicher, das ist eine sehr gute Idee, Herr.«
»Ja, ich bin auch davon überzeugt.« Der König sah sich zur Ärztin um. »Ihr habt so etwas, oder?«
»Räte, Herr?«
»Ja. Ich bin sicher, Ihr habt sie schon mal erwähnt. Wahrscheinlich in einem Vergleich zu Ungunsten unserer rückständigen Regelungen, ohne Zweifel.«
»Würde ich das jemals tun, Herr?«
»Oh, ich denke das würdest du, Vosill.«
»Unsere Regelungen bringen allerdings allem Anschein nach bessere Straßen mit sich, das würde ich ohne Bedenken behaupten.«
»Aber andererseits«, sagte der König mißmutig, »wenn ich den Baronen Macht entziehe, werden sie ungehalten.«
»Nun, macht sie doch alle zu Erzherzögen, Herr, oder besänftigt sie mit irgendwelchen anderen Auszeichnungen.«
Der König dachte darüber nach. »Welchen Auszeichnungen?«
»Ich weiß nicht, Herr. Ihr könntet welche erfinden.«
»Ja, das könnte ich«, sagte der König. »Aber andererseits, wenn ich den Bauern und den Kaufleuten und so weiter Macht gebe, dann wollen sie immer mehr.«
Die Ärztin fuhr fort, dem König den Rücken zu massieren. »Bei uns sagt man, Vorbeugen ist besser als Heilen, Herr«, antwortete sie. »Die richtige Zeit, sich um den eigenen Körper zu kümmern, ist vor dem Auftreten irgendwelcher Beschwerden. Die richtige Zeit, um auszuruhen, ist bevor man zu müde ist, um noch irgend etwas anderes zu tun, und die richtige Zeit zum Essen ist bevor einen der Hunger auffrißt.«
Der König runzelte die Stirn, während sich die Hände der Ärztin über seinen Rücken bewegten. »Wie sehr ich mir wünschte, alles wäre so einfach«, sagte er mit einem Seufzen. »Ich denke, der Körper muß etwas sehr Schlichtes sein im Vergleich zu einem Staat, wenn er auf der Basis solcher Binsenweisheiten erhalten werden kann.«
Ich hatte den Eindruck, daß die Ärztin daraufhin ein wenig beleidigt aussah. »Dann bin ich froh, daß mir die Gesundheit Eures Körpers obliegt, Herr, nicht die Eures Landes.«
»Ich bin mein Land«, sagte der König streng, doch mit einem Gesichtsausdruck, der seinen Tonfall Lügen strafte.
»Dann seid froh, Herr, daß Euer Königreich sich in einem besseren Zustand befindet als sein König, der nicht in einer Kutsche liegen will, wie es jeder vernünftige Monarch tun würde.«
»Behandelt mich nicht wie ein Kind, Vosill!« sagte der König laut und drehte sich zu ihr um. »Au!« sagte er, verzog das Gesicht und ließ sich wieder zurückfallen. »Was Euch als Frau vermutlich nicht klar ist,
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