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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Phantasien bezüglich der Absichten wiedergab, die andere am Hof im Hinblick auf sie haben könnten, aber irgendwie kam mir auch das nicht einleuchtend vor. Letzten Endes bleibt mir nur etwas, das meiner festen Überzeugung nach eine echte Unterhaltung wiedergibt, ohne eine klare Vorstellung, wie die Ärztin davon erfahren haben könnte.
    Aber da haben wir es wieder mal. Manche Dinge ergeben einfach keinen richtigen Sinn. Es muß eine Erklärung geben, und vielleicht ist sie so ähnlich wie die Doktrin von der Vollkommenen Partnerin. Wir müssen zufrieden sein, daß es sie gibt, irgendwo in der Welt, und versuchen, uns nicht allzusehr darüber zu grämen, daß wir ihr wahrscheinlich niemals begegnen werden.
     
    Wir erreichten die Stadt Lep-Skatacheis ohne Zwischenfälle.
    Am Morgen nach unserer Ankunft begaben sich die Ärztin und ich in die Gemächer des Königs, bevor die Geschäfte des Tages ihren Lauf nehmen würden. Wie üblich bei solchen Gelegenheiten, bestanden die Geschäfte des Königs – und überhaupt vieler am Hof – darin, sich bestimmte Rechtstreitigkeiten anzuhören, die sich als zu kompliziert oder zu wichtig erwiesen hatten, als daß die städtischen Behörden oder der zuständige Richter sie hätten entscheiden können. Nach meiner Erfahrung, erworben während der drei vorangegangenen Jahre, die ich mit derartigem Reisen verbracht hatte, gehörte die Verantwortung als oberste Gerichtsbarkeit in solchen Fällen nicht zu den Dingen, die der König genoß.
    Die Gemächer des Königs lagen in einem Trakt des Palastes des Obersten Richters der Stadt, mit Blick über die spiegelnden Flächen der terrassenartig angelegten Teiche, die hinunter führten zum fernen Fluß. Mauersegler und Schlangenhalsvögel spielten in der warmen Luft draußen, vor dem kühlen Stein der Balkonbalustrade kreisend und trudelnd. Der Kammerherr Wiester ließ uns ein, wie üblich mit großem Getue.
    »Oh! Seid Ihr pünktlich? Hat die Glocke geläutet? Oder gab es einen Kanonenschuß? Ich habe die Glocke nicht gehört! Ihr vielleicht?«
    »Vor ein paar Augenblicken«, sagte die Ärztin, während sie ihm durch den Empfangsraum zum Ankleidezimmer des Königs folgte.
    »Vorsehung!« sagte er und öffnete die Tür.
    »Ah, die treffliche Ärztin Vosill!« rief der König aus. Er stand auf einem kleinen Hocker in der Mitte des großen Ankleidezimmers, wo er von vier Dienern mit seiner offiziellen Richterrobe bekleidet wurde. Eine Wand aus Stuckfenstern, nach Süden gehend, fluteten den Raum mit weichem, cremigem Licht. Herzog Ormin stand in der Nähe, hochgewachsen und leicht gebeugt und ebenfalls mit einer Gerichtsrobe bekleidet. »Wie geht es Euch heute?«
    »Es geht mir gut, Euer Majestät.«
    »Ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Morgen, Doktor Vosill«, sagte Herzog Ormin lächelnd. Herzog Ormin war etwa zehn Jahre älter als der König. Er war ein schlaksiger Typ mit einem sehr breiten Kopf und einem erstaunlich großen Rumpf, der stets – jedenfalls für mich – wie ausgestopft aussah, als hätte er sich einige Kissen unters Hemd gezwängt. Also ein sonderbar aussehender Kerl, aber überaus umgänglich und freundlich, wie ich aus eigener Erfahrung wußte, da ich kurzzeitig in seinen Diensten gestanden hatte, wenn auch auf einer ziemlich niedrigen Ebene. Die Ärztin war ebenfalls von ihm beschäftigt worden, vor kürzerer Zeit, als sie sein Leibarzt gewesen war, bevor sie zum König überwechselte.
    »Herzog Ormin«, sagte die Ärztin und verbeugte sich.
    »Ach!« sagte der König. »Und ich wurde mit einem ›Euer Majestät‹ geehrt. Normalerweise muß ich froh sein, wenn ich mit einem ›Herr‹ davonkomme.«
    »Ich bitte den König um Vergebung«, sagte die Ärztin und verbeugte sich vor ihm.
    »Gewährt«, sagte Quience, wobei er den Kopf zurücklegte und einigen Dienern erlaubte, seine blonden Locken zusammenzuraffen und ein Käppchen an seinem Platz festzustecken. »Ich bin heute morgen anscheinend edelmütiger Laune. Wiester?«
    »Hoheit?«
    »Verständige die hohen Herren Richter, zu denen ich mich gesellen werde, davon, daß ich mich in höchst huldvoller Gemütsverfassung befinde, sie also dafür sorgen müssen, ihrerseits im Gerichtssaal von höchster griesgrämiger Unbarmherzigkeit zu sein, um ein Gegengewicht für meine ununterdrückbare Milde herzustellen. Paßt auf, Ormin!«
    Herzog Ormin strahlte, wobei seine Augen beinahe in dem zum Grinsen verzogenen Gesicht verschwanden.
    Wiester zögerte, dann

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