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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Peinlichkeit wurde ihm bewußt, daß er sie bei seiner instinktiven Reaktion auf die drohende Gefahr an dem verkrüppelten Arm gepackt hatte. Die Erinnerung an diese Berührung, obzwar durch den Ärmel ihres Kleides, die Schlinge und die Falten ihres Umhangs, schienen in die Knochen seiner Hand eingeprägt zu sein wie etwas Zartes, Zerbrechliches, Kindliches.
    »Es tut mir leid«, sagte er, die Worte herausstoßend. Sie stand immer noch sehr nahe bei ihm, doch dann trat sie einen Schritt von ihm weg, unsicher lächelnd. Die Kapuze ihres Umhangs war zurückgefallen und hatte ihr Gesicht hinter dem Spitzenschleier und ihr goldenes Haar, das von einem schwarzen Netz zusammengehalten war, enthüllt. Sie zog die Kapuze wieder hoch. »Ach, DeWar«, tadelte sie ihn sanft. »Ihr rettet jemandem das Leben, und dann entschuldigt Ihr Euch dafür. Ihr seid wirklich… ach, ich weiß nicht«, sagte sie, wobei sie die Kapuze zurechtzupfte. DeWar hatte Zeit, überrascht zu sein. Er hatte noch nie erlebt, daß die Dame Perrund um Worte verlegen gewesen war. Die Kapuze, mit der sie kämpfte, fiel wieder zurück, von einem Windstoß erfaßt. »Verdammtes Ding«, sagte sie, griff mit dem unversehrten Arm danach und zog sie erneut herauf. Er war im Begriff gewesen, ihr beim Ordnen der Kapuze behilflich zu sein, und hatte bereits die Hand zu diesem Zweck gehoben, doch jetzt ließ er sie wieder fallen. »So«, sagte sie. »Das hätten wir. Ich nehme Euren Arm, wenn es Euch recht ist. Jetzt laßt uns gehen.«
    DeWar sah die Straße auf und ab, dann überquerten sie sie, wobei sie sorgfältig die kleinen Haufen von Tierkot umgingen. Ein warmer Wind blies zwischen den Gebäuden und wirbelte Stroh von den Pflastersteinen auf. Die Dame Perrund hielt mit der unversehrten Hand DeWars Arm, den Unterarm leicht auf seinen gelegt. In der anderen Hand hielt DeWar einen kleinen Weidenkorb, den sie ihn gebeten hatte zu tragen, als sie den Palast verlassen hatten. »Offenbar kann man mich nicht allein auf die Straße lassen«, sagte sie. »Ich habe viel zuviel Zeit in Räumen und Innenhöfen, auf Terrassen und Rasen verbracht. Also an allen möglichen Orten, wo der rasanteste und bedrohlichste Verkehr allenfalls in einem Eunuchen mit einem dringend benötigten Tablett mit Duftwässern besteht.«
    »Ich habe Euch doch hoffentlich nicht weh getan, oder?« fragte DeWar und sah sie an.
    »Nein, aber auch wenn Ihr es getan hättet, dann wäre das immer noch besser gewesen, als von den Eisenrädern eines in wilder Fahrt dahinrasenden Stücks Belagerungsartillerie zermalmt zu werden. Was meint Ihr, wohin fahren sie so eilig?«
    »Nun, sie kommen mit dieser Geschwindigkeit nicht sehr weit. Die Zugtiere sahen bereits ziemlich erschöpft aus, dabei hatten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal die Stadt verlassen. Ich vermute, das sollte ein eindrucksvolles Schauspiel für die Bewohner sein. Aber sie werden sich über kurz oder lang nach Ladenscion aufmachen, kann ich mir vorstellen.«
    »Dann hat der Krieg also begonnen?«
    »Welcher Krieg, edle Dame?«
    »Der Krieg gegen die aufrührerischen Barone von Ladenscion, DeWar. Ich bin keine Idiotin.«
    DeWar seufzte und sah sich prüfend um, ob niemand auf der Straße ihnen allzu große Aufmerksamkeit zollte. »Offiziell hat er noch nicht begonnen«, sagte er, wobei er die Lippen dicht an die Kapuze ihres Umhangs legte – sie wandte sich zu ihm um, und er roch ihr Parfüm, süß und moschusschwer. »Aber ich denke, man kann ihn getrost als unvermeidlich bezeichnen.«
    »Wie weit entfernt ist Ladenscion?« fragte sie. Sie duckten sich unter der Auslage von Früchten, die vor einem Lebensmittelladen hingen.
    »Es sind etwa zwanzig Tagesritte bis zu den Grenzhügeln.«
    »Muß sich der Protektor persönlich dorthin begeben?«
    »Das vermag ich wirklich nicht zu sagen.«
    »DeWar«, sagte sie leise, mit einem Ton, der nach Enttäuschung klang.
    Er seufzte und sah sich wieder um. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Er hat hier viel zu tun, und es gibt mehr als genügend Generäle, um diese Aufgabe zu erledigen. Das Ganze dürfte… nicht allzu lange dauern.«
    »Ihr hört Euch nicht sehr überzeugt an.«
    »Ach ja?« Sie blieben an einer Seitenstraße stehen, um eine kleine Herde von Zugochsen passieren zu lassen, die zum Versteigerungsplatz getrieben wurden. »Anscheinend stelle ich eine Minderheit von einem einzigen Mann dar in meiner Ansicht, daß der Krieg… verdächtig ist.«
    »Verdächtig?« Die Dame Perrund hörte

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