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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ärztin plötzlich sagte: »Woran glaubst du, Oelph?«
    Ihr Gesicht, das mir zugewandt war, hatte die Farbe eines sanften, rotbraunen Sonnenuntergangs. Das Seigenlicht fing herabgefallene Strähnen ihres halbgelockten roten Haars auf.
    »Wie bitte? Nun ja, an das, woran alle zivilisierten Leute glauben, Herrin«, sagte ich, bevor mir einfiel, daß sie, da sie von Drezen kam, wo man offenbar einige seltsame Vorstellungen hegte, vielleicht etwas ganz anderes glauben könnte. »Das heißt, was die Leute in dieser Gegend, ich meine, in Haspidus…«
    »Ja, aber woran glaubst du persönlich?«
    Ich sah sie stirnrunzelnd an, mit einer Miene, mit der bedacht zu werden ein so liebenswertes, sanftes Gesicht wie das ihre nicht verdient hatte. Glaubte die Ärztin wirklich, daß jedermann herumlief und etwas Unterschiedliches dachte? Man glaubte, was einem beigebracht worden war zu glauben, was sinnvoll war zu glauben. Es sei denn natürlich, man war Fremder, oder Philosoph. »Ich glaube an die Vorsehung, Herrin.«
    »Aber wenn du Vorsehung sagst, meinst du dann in Wirklichkeit Gott?«
    »Nein, Herrin, ich glaube an keinen der alten Götter. Das tut heute keiner mehr. Jedenfalls niemand mit einem Funken Verstand. Die Vorsehung regelt die Gesetze, Herrin«, sagte ich.
    Ich versuchte, mich nicht so anzuhören, als ob ich mit einem Kind spräche, um sie nicht zu beleidigen. Ich hatte Beispiele für die Naivität der Ärztin schon früher kennengelernt, und schrieb sie der schlichten Unkenntnis der Art und Weise zu, wie die Dinge in dem, was für sie ein fremdes Land war, geordnet waren, doch selbst nach einem guten Jahr gab es anscheinend Themen, von denen wir beide annahmen, daß wir sie in einem gemeinsamen Licht und aus einer ähnlichen Perspektive sähen, während wir sie tatsächlich ganz unterschiedlich betrachteten. »Die Gesetze der Natur bestimmen die Ordnung der physikalischen Welt, und die Gesetze des Menschen bestimmen die Ordnung der Gesellschaft, Herrin.«
    »Hmm«, sagte sie mit einem Gesichtsausdruck, der einfach nur nachdenklich hätte sein können oder auch von Skepsis geprägt.
    »Ein Gefüge von Gesetzen erwächst aus dem anderen, so wie Pflanzen aus einem gewöhnlichen Tontopf«, fügte ich hinzu, da mir etwas eingefallen war, das ich in Naturphilosophie gelernt hatte (meine entschlossenen und angestrengten Bemühungen, rein gar nichts von dem in mir aufzunehmen, was ich als den gänzlich unwichtigsten Teil meiner Schulausbildung erachtete, waren offenbar nicht von vollem Erfolg gekrönt gewesen).
    »Was dem Gedanken gar nicht so unähnlich ist, daß das Licht des Xamis den größten Teil der Welt ordnet und daß Seigen die Menschen erhellt«, sinnierte sie und starrte wieder in Richtung Sonnenuntergang.
    »Wohl nicht, Herrin«, pflichtete ich ihr bei, darum bemüht, ihr zu folgen.
    »Ha«, sagte sie. »Alles hochinteressant.«
    »Ja, Herrin«, sagte ich pflichtschuldig.
     
    ADLAIN: Herzog Walen. Ein Vergnügen, wie stets. Willkommen in meinem bescheidenen Zelt. Bitte!
    WALEN: Adlain.
    A: Ein Glas Wein? Wie wär’s mit etwas zu essen? Habt Ihr gespeist?
    W: Ein Glas, danke.
    A: Wein. Ich nehme auch etwas. Danke, Epline. Und, geht es Euch gut?
    W: Ganz gut. Und Euch?
    A: Bestens.
    W: Ich frage mich, ob Ihr wohl…
    A: Was ist, Epline? Ja, natürlich, Epline, würdest du bitte…? Ich rufe… Also, Walen?… Es ist niemand außer uns hier.
    W: Hmm. Sehr gut. Diese Ärztin, Doktor Vosill.
    A: Immer noch sie, was, lieber Herzog? Das wird allmählich zur Besessenheit. Findet Ihr sie wirklich so interessant? Vielleicht solltet Ihr Euch ihr offenbaren. Es könnte ja sein, daß sie ältere Männer bevorzugt.
    W: Sich über die Weisheit, die mit dem Alter kommt, lustig zu machen, ist ein Sport, der nur jenen ansteht, die nicht erwarten dürfen, jemals selbst viel davon zu erlangen, Adlain. Ihr kennt die Natur meines Anliegens.
    A: Ich bedaure, nein, Herzog.
    W: Aber Ihr habt mir von Euren eigenen Zweifeln berichtet. Habt Ihr nicht ihre Schriften prüfen lassen, für den Fall, daß dahinter ein Code oder etwas Ähnliches steckt?
    A: Ich habe daran gedacht. Ich habe beschlossen, es nicht zu tun. Nicht direkt.
    W: Nun, vielleicht solltet Ihr es tun, und zwar direkt. Sie ist eine Hexe. Oder eine Spionin. Eines von beidem.
    A: Ich verstehe. Und welchen seltsamen alten Göttern oder anderen Dämonen dient sie, Eurer Meinung nach? Oder welchem Herrn?
    W: Das weiß ich nicht. Wir werden es nie erfahren, wenn wir sie nicht

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