Inversionen
und dann Adlain und einigen anderen. Er konnte die Ärztin nicht sehen, weil sie auf der anderen Seite des Tisches hockte, wo sie sich immer noch um die Füße des Königs kümmerte.
»Euer Majestät«, sagte Quettil. »Als weiteres Unterpfand der Ehre, daß es uns gestattet ist, erneut für Euch und Euren Hof hier für den Sommer Gastgeber zu sein, möchte ich Euch etwas vorführen.« Die geölten Muskelmänner brachten die Trage zu der Stelle, wo der König saß, und stellten sie vor ihm ab. Sie öffneten die reich geschnitzten und eingelegten Türen des schmalen Behältnisses, um eine riesige quadratische Karte, mindestens von der Höhe eines Mannes, zu enthüllen. Eingelassen in das Quadrat war ein Kreis, gefüllt mit den Formen von Kontinenten und Inseln und Meeren und ausstaffiert mit Ungeheuern, Zeichnungen von Städten und kleinen Gestalten von Männern und Frauen in einer großen Vielfalt von Gewandungen. »Eine Karte der Welt, Herr«, sagte Quettil. »Für Euch angefertigt vom Meistergeografen Kuin nach den allerneuesten Geheiminformationen, eingekauft von Eurem demütigen Diener und an diesen weitergegeben von den tapfersten und vertrauenswürdigsten Kapitänen der vier Gewässer.«
»Danke, Herzog.« Der König rutschte auf seinem Sitz nach vorn und betrachtete die Landkarte. »Zeigt sie die frühere Ansicht von Anlios?«
Quettil warf einem seiner livrierten Diener einen Blick zu, woraufhin dieser schnell vortrat und sagte: »Ja, Euer Majestät. Hier.« Er deutete auf die entsprechende Stelle.
»Was ist mit der Behausung des Ungeheuers Gruissens?«
»Man nimmt an, daß sie sich hier befindet, Euer Majestät, im Gebiet der Schwindenden Inseln.«
»Und Sompolia?«
»Ach, die Heimat von Mimarstis des Mächtigen«, sagte Quettil.
»Das behaupten die Leute«, sagte der König.
»Hier, Euer Majestät.«
»Und liegt Haspide immer noch im Mittelpunkt der Welt?« fragte der König.
»Ah«, sagte der Diener.
»In jeder Hinsicht, außer in physikalischer«, sagte Quettil, und man sah ihm an, daß ihm dabei ein wenig unbehaglich zumute war. »Ich bat den Meistergeografen Kuin um eine möglichst genaue Karte, bei der die neuesten und zuverlässigsten Informationen berücksichtigt sein sollten, und er hat sich dafür entschieden – man könnte beinahe sagen, er hat bestimmt –, daß der Äquator das Taillenband der Welt sein muß zum Zwecke einer genauen Kartenherstellung. Da Haspide ein gutes Stück vom Äquator entfernt liegt, kann also nicht von der Annahme ausgegangen werden…«
»Quettil, ist schon gut«, sagte der König lässig und wedelte mit der Hand. »Ich ziehe Genauigkeit der Schmeichelei vor. Es ist eine großartige Landkarte, und ich danke Euch von Herzen. Sie wird einen Platz in meinem Thronsaal erhalten, damit alle sie bewundern können, und ich werde weitere Gebrauchskopien für unsere Meereskapitäne zeichnen lassen. Ich glaube, ich habe noch nie einen Gegenstand gesehen, der gleichzeitig so dekorativ und nützlich ist. Kommt, setzt Euch zu mir. Herzog Walen, würdet Ihr freundlicherweise Platz machen für unseren Besuch?«
Walen murmelte, daß er dies mit Freuden tun würde, und Diener schoben seinen Stuhl von dem des Königs weg, um Platz zu schaffen, damit die Balnimen Quettils Sänfte schwungvoll um den Tisch herumtragen und neben dem König abstellen konnten. Der Herzog behielt seinen Sitzplatz bei. Die Balnimen rochen stark nach tierischem Moschus. Ich hatte das Gefühl, als ob sich mein Kopf drehte. Sie zogen sich in den hinteren Teil der Terrasse zurück und kauerten sich auf die Hinterbacken, die langen Bogen schräg auf den Rücken.
»Und was ist das?« fragte Quettil, der aus seinem erhabenen Sitz auf mich und die Ärztin herabsah.
»Meine Leibärztin«, erklärte der König und lächelte die Ärztin breit an.
»Was, eine Fußärztin?« fragte Quettil. »Ist das eine neue Mode in Haspide, von der ich noch nichts gehört habe?«
»Nein, eine Ärztin für den ganzen Körper, so wie es jeder königliche Leibarzt sein muß. So wie Tranius es für meinen Vater war. Und für mich.«
»Ja«, sagte Herzog Quettil und sah sich um. »Tranius. Was ist mit ihm?«
»Er wurde Opfer zitternder Hände und einer getrübten Sicht«, erklärte der König. »Er hat sich auf seinem Landgut in Junde zur Ruhe gesetzt.«
»Offenbar bekommt ihm das ländliche Leben gut«, fügte Adlain hinzu. »Denn nach allem, was man so hört, hat sich der alte Knabe wieder vollkommen erholt.«
»Ormin
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