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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die meisten der Gebiete in Wirklichkeit gesehen, die auf Eurer Karte ziemlich phantasiereich dargestellt sind.«
    »Doktor Vosill«, sagte der König, nicht unfreundlich. »Es wäre vielleicht höflicher, wenn Ihr aufstehen und den Herzog ansehen würdet, wenn Ihr mit ihm sprecht.«
    »Wäre es das, Herr?«
    Der König entzog seinen Fuß ihrer Hand, setzte sich vor und sagte in scharfem Ton: »Ja, Madame, das wäre es.«
    Die Ärztin warf dem König einen Blick von einer Art zu, daß mir ein Wimmern entfuhr, obwohl ich glaube, es gelang mir, den Laut in ein Räuspern umzuwandeln. Sie hielt jedoch inne, reichte mir das kleine Skalpell und erhob sich wieder geschmeidig. Sie verneigte sich vor dem König und dann vor dem Herzog. »Mit Eurer Erlaubnis, meine Herrn«, sagte sie, dann nahm sie die Tsigibernfeder zur Hand, die der König auf dem Tisch hatte liegen lassen. Sie ging in die Knie, duckte sich unter dem langen Tisch hindurch und tauchte auf der anderen Seite wieder auf. Sie deutete mit der Feder auf den unteren Teil der großen Karte.
    »Hier gibt es keinen Kontinent, nur Eis. Da und dort gibt es Inselgruppen. Die Nördlichen Inseln von Drezen sind einfach nicht so, wie sie hier dargestellt sind. Sie sind zahlreicher, im allgemeinen kleiner, weniger regelmäßig und erstrecken sich weiter nach Norden. Hier, das westliche Kap von Quarreck ist ungefähr zwanzig Segelwerke zu weit in den Osten verlegt. Cuskery…« Sie neigte den Kopf zur Seite und überlegte. »Ist ziemlich zutreffend dargestellt. Fuol liegt nicht hier, sondern da, obwohl der gesamte Kontinent von Morifeth im großen und ganzen zutreffend gezeigt wird – allerdings zu weit nach Westen verlegt. Illerne liegt nördlich von Chroe, nicht gegenüber. Dies sind die Orte, die ich aus persönlichem Wissen kenne. Ich weiß aus zuverlässigen Quellen, daß es ein großes Binnenmeer gibt… hier. Was die verschiedenen Ungeheuer und anderen Unsinn betrifft…«
    »Danke, Doktor«, sagte der König und klatschte in die Hände. »Eure Ansichten sind überaus unterhaltsam, davon bin ich überzeugt. Herzog Quettil hat zweifellos tiefe Einsichten dadurch gewonnen, daß seine hervorragende Karte Gegenstand derartiger Berichtigungen geworden ist.« Der König wandte sich dem grimmig dreinblickenden Quettil zu. »Ihr müßt der trefflichen Ärztin verzeihen, mein lieber Herzog. Sie stammt aus Drezen, wo die Gehirne der Leute anscheinend dadurch Schaden nehmen, daß sie andauernd auf dem Kopf stehen. Offenbar ist dort alles auf den Kopf gestellt, und die Frauen halten es für angemessen, ihren Herren und Meistern zu sagen, was Sache ist.«
    Quettil zwang sich zu einem Lächeln. »In der Tat, Euer Majestät. Ich verstehe vollkommen. Dennoch war es eine überaus unterhaltsame Darbietung. Ich war stets gemeinsam mit Eurem Vater der Ansicht, daß es sowohl unziemlich als auch unnötig sei, Frauen auf der Bühne zulassen, da doch Kastraten so bereitwillig zur Verfügung stehen; ich muß jedoch einräumen, daß die phantasievolle und einfallsreiche Natur der Frauen einen nützlichen Zweck erfüllen kann, wenn es darum geht, uns mit derartigen Humoresken zu versorgen. Ich sehe jetzt ein, daß eine solche frivole Oberflächlichkeit in der Tat Spaß machen kann. Natürlich nur, solange man diese Dinge nicht allzu ernst nimmt.«
    Ich beobachtete die Ärztin aufmerksam und mit großer Beklommenheit, während der Herzog diese Worte aussprach. Zu meiner großen Erleichterung blieb ihr Gesichtsausdruck ruhig und gelassen. »Meint Ihr«, fragte der Herzog den König, »daß sie ähnlich pittoreske Ansichten hinsichtlich der Lage der Organe im menschlichen Körper hat wie hinsichtlich der Beschaffenheit des Globus?«
    »Wir müssen sie fragen. Doktor«, sagte der König, »befindet Ihr Euch im gleichen Maße mit unseren besten Ärzten und Chirurgen im Widerspruch, wie es offenbar mit unseren höchst geschätzten Navigatoren und Geografen der Fall ist?«
    »Was die Lage betrifft, nein, Herr.«
    »Aber Euer Ton läßt darauf schließen«, sagte Adlain, »daß Ihr nicht in allem mit ihnen übereinstimmt. Worauf könnte sich diese Abweichung beziehen?«
    »Auf die Funktion, Herr«, erklärte die Ärztin. »Aber das hat vor allem etwas mit schlichtem Handwerk zu tun und ist deshalb vielleicht nicht so sehr von übergeordnetem Interesse.«
    »Sagt mal, Frau«, ergriff nun Herzog Walen das Wort. »Habt Ihr das Land Drezen verlassen, um der Justiz zu entkommen?«
    Die Ärztin sah Herzog

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