Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
und auf die der König anscheinend ein besonderes Auge geworfen hatte. Jede hatte golden-grüne Augen, einen weißblonden Lockenwust von Haaren und beherrschte beinahe uneingeschränkt – aber eben nur beinahe – einen hochgewachsenen, geschmeidigen Körper, der an einigen Stellen dem Gesetz der Schwerkraft zu trotzen schien. Jede war mit einem cremefarbigen Kleid, gesäumt mit roten Biesen und mit gekräuselter Spitze verziert, angetan, das, wenn es auch vielleicht nicht das war, was eine bäuerliche Schäferin tragen würde, vielleicht dem entsprach, was eine berühmte schöne und gut ausgestattete Schauspielerin tragen würde, wenn sie in einem teuer produzierten romantischen Stück die Rolle einer bäuerlichen Schäferin übernehmen würde. Bereits ein solches Geschöpf hätte das Herz eines normalen Mannes in seine Stiefel schmelzen lassen. Daß es zwei solche Schönheiten gab, die in ein und derselben Welt leben durften, schien irgendwie ungerecht. Zumal sie beide im gleichen Maße vom König angetan zu sein schienen wie er von ihnen.
    Ich gestehe, daß ich nicht in der Lage war, die Augen von den beiden samtglatten Kugeln abzuwenden, die sich wie geschwollene rehbraune Monde am cremefarbenen Spitzenhorizont des Mieders jedes Mädchens wölbten. Das Licht der Sonne ergoß sich über diese vollkommenen Kugeln, setzte Glanzlichter auf den beinahe unsichtbar feinen Flaum dort; ihre Stimmen plätscherten wie die Brunnen, ihr Moschusparfüm erfüllte die Luft, und das neckende Geplauder des Königs barg die Verheißung von Romantik.
    »Ja, die kleinen roten. Ein paar davon. Mmm. Köstlich. Welchen Genuß einem doch die kleinen roten bereiten, nicht wahr?«
    Die beiden Mädchen kicherten.
    »Wie sieht’s aus, Vosill?« sagte der König schmunzelnd. »Wann kann ich anfangen, diese Mädchen zu jagen?« Er tat so, als wolle er einen Satz zu den Schäferinnen machen und versuchen, sie zu grapschen, doch sie quietschten und tanzten aus seiner Reichweite. »Sie entwischen mir immer wieder, verdammt noch mal. Wann kann ich endlich richtig Jagd auf sie machen?«
    »Richtig, Herr? Wie soll das gehen, Herr?« fragte die Ärztin.
    Die Ärztin und ich kümmerten uns um den Knöchel des Königs. Die Ärztin wechselte den Verband jeden Tag. Manchmal wechselte sie ihn sogar zweimal am Tag, wenn der König ausgeritten oder auf der Jagd gewesen war. Außer der Schwellung durch das Ausrenken war da noch ein kleiner Schnitt im Knöchel, der seine Zeit zum Heilen brauchte, und die Ärztin war unermüdlich darin, ihn sauber zu halten und zu behandeln, obwohl es mir schien, daß jede gewöhnliche Krankenpflegerin oder sogar Zofe diese Aufgabe hätte übernehmen können. Doch anscheinend wollte der König, daß die Ärztin das täglich selbst verrichtete, und sie kam seinem Wunsch offenbar mit Freude nach. Ich kann mir keinen anderen Arzt vorstellen, der es unter irgendeinem Vorwand abgelehnt hätte, den König zu behandeln, sie jedoch war dazu durchaus fähig.
    »Nun, richtig vermutlich in dem Sinn, daß ich anständige Aussichten hätte, sie zu fangen, Vosill«, sagte der König, wobei er sich zu der Ärztin vorbeugte und sich eines Tons befleißigte, den man, glaube ich, ein Bühnenflüstern nennt. Die beiden Schäferinnen lachten glockenhell.
    »Anständig, Herr? Wie das?« fragte die Ärztin und blinzelte, wie mir schien, heftiger, als es das durch Blüten und Blätter gedämpfte Sonnenlicht erfordert hätte.
    »Vosill, hört auf, so kindische Fragen zu stellen, und sagt mir, wann ich wieder laufen kann.«
    »Oh, Ihr könnt jetzt laufen, Herr. Aber es wäre überaus schmerzhaft, und Euer Knöchel würde wahrscheinlich nach wenigen Schritten umknicken. Aber ganz bestimmt könnt Ihr laufen.«
    »Aha, laufen und umfallen«, sagte der König, lehnte sich zurück und griff nach seinem Weinglas.
    Die Ärztin warf einen Blick zu den beiden Schäferinnen. »Nun ja«, sagte sie, »vielleicht würde etwas Weiches Euren Fall lindern.«
    Sie saß mit überkreuzten Beinen zu Füßen des Königs, den Rücken Herzog Walen zugewandt. Diese seltsame, undamenhafte Stellung nahm sie oft ein, anscheinend ohne sich etwas dabei zu denken, und das machte es zu einer Notwendigkeit, daß sie Männerkleidung trug, zumindest teilweise. Für dieses eine Mal hatte die Ärztin ihre hohen Stiefel abgelegt. Sie trug eine dunkle Kniehose aus Samt und mäßig spitze Wildlederschuhe. Die Füße des Königs ruhten auf stabilen silbernen Schemeln, auf denen üppige

Weitere Kostenlose Bücher