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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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viele weitere Städte wir seit gestern eingenommen haben.« Er schlug DeWar auf die Schulter. »So, jetzt weg mit Euch. Und wenn ich nicht hier bin, wenn Ihr zurückkommt, dann bin ich noch mal in den Harem gegangen, um eine zweite Runde mit Eurer Gegenspielerin zu machen.« Er grinste ihn an und drückte ihm den Arm. »All dieses Gerede von Krieg und siegreichen Schlachten scheint mir das Blut eines jungen Mannes in den Schwanz zu treiben!«
    Er ließ DeWar stehen; dieser starrte zum gefliesten Boden des Flurs hinab, während die Türflügel sich öffneten und wieder schlossen, begleitet vom Raunen redender Männer. Die beiden Palastwachen gesellten sich zu beiden Seiten der Tür zu ihren Kameraden.
    DeWars Kiefer arbeiteten, als ob er etwas kaute, dann drehte er sich schnell um und schritt eilends davon.
     
    Der Stuckateur hatte die Restaurierungsarbeiten im bemalten Zimmer beinahe beendet. Eine letzte Schicht trocknete gerade, und er kniete auf seinem weißgefleckten Tuch und sortierte seine Werkzeuge und Eimer und versuchte, sich an die richtige Aufräumordnung zu erinnern. Dies war eine Art von Arbeit, die normalerweise von seinem Lehrling ausgeführt wurde, aber in diesem Fall hatte er sie selbst erledigen müssen, weil das Ganze so geheim war.
    Der Raum war unverschlossen, und die schwarz gekleidete Gestalt DeWars, des Leibwächters des Protektors, kam herein. Der Stuckateur merkte, wie ihn ein eisiger Schauder durchfuhr, als er den Ausdruck im finsteren Gesicht des hochgewachsenen Mannes sah. Vorsehung, man hatte doch nicht etwa die Absicht, ihn zu töten, nun, da er diese Arbeit vollendet hatte, oder? Er hatte von vornherein gewußt, daß es etwas Geheimes war – was er verputzt hatte, war ein verborgener Alkoven für jemanden, der Leute ausspionieren wollte, das war offensichtlich – aber konnte das so geheim sein, daß man ihn danach töten würde, um ihn am Reden zu hindern? Er hatte schon früher Arbeiten im Palast ausgeführt. Er war ehrlich und verschwiegen. Das wußte man. Man kannte ihn. Eine der Palastwachen war sein Bruder. Er war vertrauenswürdig. Er würde niemandem etwas von dem hier erzählen. Das würde er beim Leben seiner Kinder schwören. Sie konnten ihn nicht töten! Oder doch?
    Er zuckte zurück, als sich DeWar näherte. Das Schwert des Leibwächters schaukelte in seiner schwarzen Scheide von einer Seite zur anderen, während der lange Dolch an seiner anderen Hüfte in seiner dunklen Hülle hüpfte. Der Stuckateur sah ihm ins Gesicht und erblickte lediglich eine reglose, kalte Miene, die erschreckender war als der Ausdruck von erbarmungslosem Zorn oder das verlogene Lächeln eines Meuchelmörders. Er versuchte, seine Stimme zu gebrauchen, was ihm jedoch nicht gelang. Er spürte, wie sein Gedärm allmählich erschlaffte.
    DeWar nahm ihn anscheinend kaum wahr. Er blickte auf ihn herab und betrachtete dann die neu verputzte Wand, die noch zwischen den anderen bemalten Paneelen trocknete, wie ein blutleeres, lebloses Gesicht zwischen lebendigen, dann ging er vorbei, zu dem kleinen Podest. Der Stuckateur, dessen Mund trocken war, drehte sich schnell um und ging auf die Knie, um den weiteren Verlauf der Dinge zu beobachten. Der Leibwächter umklammerte eine Armlehne des kleinen Throns auf dem Podest, dann stand er auf und ging zu einem Paneel auf der gegenüberliegenden Seite des Raums, der eine Szene aus dem Harem zeigte, voll von Darstellungen lasziv hingegossener, draller Damen in freizügiger Kleidung, sich mit Spielen die Zeit vertrieben und träge an winzigen Gläsern nippten.
    Die schwarze Gestalt stand einen Augenblick lang einfach nur da. Als sie sprach, zuckte der Stuckateur heftig zusammen.
    »Ist das Paneel fertig?« fragte er. Seine Stimme klang laut und hohl in dem kahlen Raum.
    Der Stuckateur schluckte, hustete trocken und brachte endlich krächzend hervor: »J-j-a, Herr. Morgen früh kann der M-Maler anfangen.«
    Immer noch dem Haremsgemälde zugewandt, immer noch mit hohl klingender Stimme sagte der Leibwächter: »Gut.« Dann rammte er ohne Warnung, ohne auszuholen, nur mit einem einzigen überraschenden Stoß die rechte Faust durch das Paneel, vor dem er stand.
    Auf der anderen Seite des Zimmers stieß der Stuckateur einen Schrei aus.
    DeWar stand noch einen Augenblick lang da, sein halber Unterarm ragte durch das Haremsgemälde hindurch. Ein paar bemalte Stuckbrocken fielen trocken zu Boden, als er den Arm langsam zurückzog.
    Der Stuckateur zitterte. Er wäre gern

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