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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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können, dass dieser Mann derjenige war, der hinter allem steckte.
    Oben an der Treppe verschwand die Menge in dem Gang, der zu den Gleisen der Nahverkehrszüge führte. Plötzlich konnte Neil Mr. Atkins sehr deutlich sehen. Er stand für sich und blickte zur Anzeige der Abfahrtszeiten empor. Neil hielt Abstand, während er versuchte zu erkennen, nach welchem Zug der Lehrer suchte. Und er betete, dass der Mann nicht über die Oyster-Card-Zone hinauswollte, denn es wäre sehr ärgerlich, Atkins zu verlieren, weil er, Neil, sich ein Zugticket kaufen müsste.
    Dann bewegte sich Atkins auf einmal und steuerte mit energischen Schritten auf ein Gleis am Ende des Bahnhofs zu. Neil sah, wie er die Treppe hinaufging, und folgte ihm in sicherem Abstand. Auf dem Bahnsteig hatte er gerade noch genug Zeit zu sehen, dass der nächste Zug nach Norden zur Lady Jane Grey fuhr. Mit diesem Nahverkehrszug fuhren viele Schülerinnen jeden Morgen. Hatte das etwas zu bedeuten?
    In der Bahn blieb Atkins wieder stehen, diesmal nahe den Türen. Neil stellte sich vor die Türen am anderen Ende des Waggons, nahm eine Gratiszeitung auf, die jemand auf dem Sitz liegen gelassen hatte, und hielt sie aufgeschlagen vor sich. Über den oberen Rand hinweg beobachtete er Atkins.
    Neil hatte richtig geraten. Atkins stieg an der nichtssagenden Vororthaltestelle aus, die nahe der Lady Jane Grey lag. Neil folgte ihm, achtete jedoch darauf, Distanz zu wahren: die Treppe hinunter, aus dem Bahnhof. Sie befanden sich außerhalb der Oyster-Zone, aber glücklicherweise waren die Schranken offen, und Neil atmete erleichtert auf. Leise und so unauffällig wie möglich heftete er sich an die Fersen des Manns, der mit kleinen, schnellen Schritten unter der Bahnbrücke hindurchlief und auf die Hauptstraße einbog. Rechter Hand zweigten mehrere Seitenstraßen mit gepflegten Doppelhäusern aus den Fünfzigerjahren ab, wohingegen es auf der Einkaufsmeile von Kebabläden und Internetcafés wimmelte. Mr. Atkins überquerte die Straße an einer Fußgängerampel. Neil wartete kurz und lief hinterher, als das Licht zu blinken begann. Große Wohnblocks mit städtischen Sozialwohnungen ragten in der Dunkelheit auf. Atkins steuerte auf einen der Blocks zu, und während Neil ihn aus einer dunklen Nische beobachtete, trat er durch eine Glastür und drückte den Knopf für den Fahrstuhl.
    Neil stand im Eingang und sah auf die Anzeige. Der Aufzug hielt im sechsten Stock. Nun musste Neil sich entscheiden. Er rief Kate auf dem Handy an. Besetzt. Nachdem er einen Moment überlegt hatte, stieg er die Treppe hinauf. Der Mann war ein Mörder. Er hatte Serena Harcourt umgebracht und vielleicht auch Harriet Fox. Aber er war mindestens sechzig und hatte keinen Grund, Neil zu misstrauen. Außerdem blieb Neil eigentlich gar nichts anderes übrig: Er musste raufgehen und nachsehen, in welche Wohnung Atkins gegangen war. Dann könnte er Kate anrufen, und entweder er oder Kate riefen Dave Steele an. Anschließend würde Dave seine Kollegen bei der Londoner Polizei informieren, und einer von ihnen käme, um mit Mr. Atkins zu reden. Vorausgesetzt natürlich, dass Neil Glück hatte und die Polizei ihre wilde Geschichte tatsächlich ernstnahm.
    Neil rannte schwer atmend die Treppe nach oben, wählte noch mal Kates Nummer und landete direkt auf ihrer Mailbox. Er hinterließ eine Nachricht - den Namen des Wohnblocks, das Stockwerk. Dann lief er weiter. Vierter Stock, fünfter Stock. Neils Plan war, an ein paar Türen zu klopfen, sich zu erkundigen, wo Atkins wohnte, und abzuwarten. Er würde sich auf die Treppe setzen oder sonst wohin und auf die Polizei warten. Doch als er atemlos um die Ecke des Flurs im sechsten Stock bog, stand Atkins wartend in einer offenen Wohnungstür. »Mr. Callan, nicht wahr?« Seine Stimme klang sehr klar, geradezu affektiert. »Ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihre Sendung sehr schätze. Kommen Sie mich besuchen? Wie nett! Treten Sie doch bitte ein!«

SIEBENUNDZWANZIG
     
    Neil hatte ein seltsames Déjà-vu-Gefühl, als er Mr. Atkins' Wohnung betrat. Städtische Sozialwohnungen waren alle gleich geschnitten: die Küche links, daneben das Bad, dann ein Schlafzimmer, und sicher lag am Ende des Flurs ein großer Wohnraum. In solchen Wohnungen hatte Neil schon unzählige Interviews gemacht - wie viele, konnte er beim besten Willen nicht mehr sagen. In Wohnungen wie dieser hatte er Triumphe und Tragödien gehört; von Kindern, die in sportlichen Wettkämpfen oder

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