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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Mr. Atkins mit ihnen über Rasputin sprach. Dann steigerte sich das Triezen. Einige Mädchen beherrschten es bald meisterhaft, durch die Zähne zu pfeifen, wenn sie mit Mr. Atkins sprachen. Und die Streiche wurden zunehmend komplizierter, ausgefeilter. Mädchen wechselten lautlos die Plätze, während er etwas an die Tafel schrieb. Alle in der Klasse zogen sich zu einem verabredeten Zeitpunkt gleichzeitig die Strickjacken aus. Eine Woche lang meldeten sich sämtliche Mädchen gleichzeitig, sobald Mr. Atkins eine Frage stellte. Und die Antwort, die er erhielt, egal welches Mädchen er aufrief, lautete stets: »War es Asquith?«
    Und Kate hatte bei allem mitgemacht.
     
    Nachdem ihre Befragung vorbei war, rannte Kate so schnell sie konnte in die Eingangshalle. Sie stürmte auf Neil zu. »Er ist es«, sagte sie. »Er heißt Mr. Atkins, und er war Lehrer an der Lady Jane.«
    Neil nickte stumm, während er sich suchend in der Menge umschaute. Offenbar hatte er Mr. Atkins entdeckt, denn er sagte: »Ruf Dave Steele an! Ich gehe Atkins nach.«
    Kate setzte sich auf eine Bank vor dem Gerichtsgebäude, das Handy am Ohr. Die Zentrale stellte sie zu Neils freundlichem Polizisten durch, und sie wartete. Wieder einmal zitterte sie am ganzen Leib, und daran war nicht allein die Kälte schuld. Kate grauste vor den Erinnerungen, die nun über sie hereinbrachen.
    Sie hatte mitgemacht, hatte gemeinsam mit den anderen Mr. Atkins terrorisiert. Kate hatte mitgemacht, weil ausnahmsweise mal nicht sie gequält wurde. Und sie hatte es genossen. Ja, sie hatte es richtig spaßig gefunden, und sie hatte sich zugehörig gefühlt. Für kurze Zeit war sie in die Clique aufgenommen worden, wurde eine von ihnen.
    Mr. Atkins hatte nicht lange durchgehalten. Er war nur ein Jahr an der Lady Jane Grey geblieben. Bis zum Schuljahresende hatte er durchgehalten, so viel wusste Kate noch. Bis dahin war er allerdings zu einem stammelnden Nervenbündel geworden. Und im September, als das neue Schuljahr anfing, war er verschwunden und wurde nie wieder erwähnt. Kate hatte ihn vollkommen vergessen, was erstaunlich war, denn immerhin war er ein wichtiger Bestandteil ihrer Schulzeit gewesen. Aber sie hätte ihn nie für einen Mörder gehalten.

SECHSUNDZWANZIG
     
    Es war Rushhour und die U-Bahn nach Norden zum Bersten voll. Neil hätte sich um ein Haar nicht mehr in den Waggon drängen können, in den Mr. Atkins gestiegen war. Der Lehrer trug einen beigefarbenen Regenmantel, und er stand in dem Raum zwischen den Sitzreihen, wo er sich mit einer Hand an der Stange oben festhielt. Die U-Bahn wurde beständig voller, aber Atkins rührte sich nicht von der Stelle. Neil fragte sich, wie weit er fahren würde. An der Haltestelle Kings Cross leerte sich der Wagen merklich, bevor sich die nächste Menschenmasse hineinzwängte. Atkins hielt sich immer noch oben an der Stange fest, und Neil glaubte nicht, dass Atkins ihn bemerkte.
    Die U-Bahn fuhr kreischend in Finsbury Park ein, und plötzlich schienen sich alle im Wagen in Bewegung zu setzen. Eine Frau mit vier oder fünf großen Einkaufstaschen zwängte sich durch den Gang zwischen den Sitzreihen, um auszusteigen, und Atkins wich ihr seitlich aus. Neil entspannte sich. Offenbar stieg er hier nicht aus. Nein, falsch geraten. Der kleine Mann ließ zwei weitere Fahrgäste passieren, ehe er sich selbst in Bewegung setzte, energisch und zielstrebig. Er kam auf das Ende des Waggons zu, wo Neil stand, und Neil wandte sich schnell seitlich ab, um zu vermeiden, dass Atkins ihn von der Befragung - oder gar aus dem Fernsehen - wiedererkannte. Aber dieser schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Der Lehrer drängte sich an ihm vorbei, stieg aus, und Neil folgte ihm.
    Die Menschen schoben sich in einer zusammenhängenden Masse die gewundene Treppe hinauf zur Hauptebene. Neil blieb hinten, von wo er hier und da Atkins' beigefarbenen Mantel auftauchen sah. Alle liefen mit dem typisch schnellen Schritt, wie er in U-Bahn-Stationen mit Fernverkehrsanbindung oft zu beobachten ist. Jeder will einen Zug erwischen, dachte Neil. Wie weit muss ich wohl noch fahren? Und was soll ich tun, wenn ich da angekommen bin, wo der Lehrer hinwill? Bisher hatte er nur vorgehabt, ihm zu folgen, um herauszufinden, wo er wohnte. Dann würde er Kate anrufen und ihr die Adresse durchgeben. Er hoffte, dass sie Dave Steele oder einen von den Polizisten erreicht hatte, die in dem Fall der anonymen Sendungen ermittelten. Und hoffentlich hatte Kate sie überzeugen

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