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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Lady-Jane-Mädchen, als sie zum Seminar eintrafen. Serena war vorausgegangen, geradewegs auf die Taxischlange zu, als wäre ein Taxi die einzig denkbare Form der Fortbewegung. Die anderen drei folgten ihr, wobei Kate verstohlen die Straßenkarte von Cambridge wieder einsteckte, die sie sich in der Bibliothek kopiert hatte. Darauf hatte sie penibel den Weg markiert, den sie gehen mussten. Die ganze Taxifahrt über sorgte sie sich, wie viel es wohl kosten würde, wie sie sich die Summe teilen sollten und wie viel Trinkgeld sie geben müsste.
    Hier war das College, in dem sie gewohnt hatten. Es war eines der weniger berühmten, ein kleines College, das versteckt zwischen dem Fluss und der Hauptstraße lag. Das Taxi hielt gegenüber am Straßenrand. Kate bezahlte und stieg aus. Kaum stand sie auf der schmalen Straße, wurde sie fast von einem Radfahrer überrollt, der ohne Licht aus der diesigen Kälte auftauchte und direkt vor ihrer Nase vorbeiraste. Kate eilte über die Straße auf das Tor zu, das inmitten der Enge zu groß und einschüchternd wirkte. Nach dem Beinahezusammenstoß mit dem Radfahrer war sie zittrig, und der Nebel hatte den Effekt, dass sie sich seltsam losgelöst von Raum und Zeit fühlte.
     
    Die Lady-Jane-Mädchen hatten in Zimmern unter dem Dach des College-Gebäudes gewohnt. Von Susans und Serenas Zimmer aus konnte man - sofern der gefrierende Nebel es zuließ - den ganzen honigfarbenen Innenhof mit seinem bröckelnden Mauerwerk und den krummen Fenstern mit den kleinen rautenförmigen Scheiben überblicken. An der Mauer auf einer Seite des Hofes war eine gigantische Sonnenuhr angebracht, aufwendig gearbeitet und mit Tierkreissymbolen sowie römischen Zahlen versehen. Hatties und Kates Fenster blickte in die andere Richtung, auf den ummauerten Garten des Schulleiters und den dahinterliegenden Fluss. Der Garten war während des gesamten Wochenendes bereift gewesen, alle Sträucher waren braun und kurz gestutzt. Er hatte vollkommen tot ausgesehen. Am Ende des Gartens war eine alte Steinmauer, anderthalb oder zwei Meter hoch, die den Garten vom Fluss trennte. Dort hatten Stakkähne gelegen, vier oder fünf, die über den Winter nahe der Brücke vertäut worden waren und sich sanft auf dem verlassenen Cam wiegten.
    Heather. Kate war heute hier, um jene Tage nochmals zu durchleben, sich an Heather zu erinnern und daran, wie sie gestorben war. Wie kam es überhaupt, dass sich Heather den Lady-Jane-Mädchen angeschlossen hatte?
    Heather war allein hier gewesen, so viel wusste Kate noch. Sie war die einzige Schülerin ihrer Schule, die zum Schnupperwochenende eingeladen wurde, die einzige, die für die Oxbridge-Zulassungsprüfungen in Frage gekommen war. Und man hatte ihr eine winzige Kammer neben der von Hattie und Kate zugeteilt. Sie mussten sich zu dritt ein Bad teilen. Ja, genau. Das war es! So waren sie mit ihr ins Gespräch gekommen. Über das gemeinsame Badezimmer. Am ersten Morgen war es klirrend kalt gewesen, und Kate und Heather standen auf dem Treppenabsatz der kleinen Wendeltreppe oben, ihre Handtücher und Kulturbeutel umklammert. (Hattie hatte Kate ausgelacht, weil sie von ihrem »Kulturbeutel« sprach.) Sie warteten, dass Hattie im Bad fertig wurde. Heather und Kate hatten beide Bademäntel und Hausschuhe getragen; sie kamen ins Gespräch, und sie fanden einander ein bisschen sympathisch. Mehr noch empfand Kate Mitleid mit Heather und bot ihr deshalb an, mit ihnen zusammen zum Frühstück zu gehen.
    Aber sie war nicht bloß mit ihnen zum Frühstück getrottet; sie wich ihnen gar nicht mehr von der Seite. Für den Rest des Wochenendes hieß es: Kate und Hattie, Susan und Serena und Heather, ihr kleiner roter Schatten. Dieses rote Sweatshirt, das sie ununterbrochen trug, hatte sie am Tag ihrer Ankunft in Cambridge gekauft. Heather hatte ihren schweren Koffer vom Bahnhof in die Innenstadt geschleppt und sich in einem der Souvenirläden den Pulli gekauft. Das war die Geschichte, die sie ihnen erzählte, unbekümmert, unbedarft, ohne die geringste Ahnung, wie sie in den Ohren der anderen klang. »Hat meine Mum ja gleich gesagt. Man muss sich einfach so ein Sweatshirt von der Cambridge University kaufen, oder?«, sagte sie.
    »Und ob. Das ist quasi ein ungeschriebenes Gesetz«, bestätigte Susan in genau dem gleichen naiven, munteren Tonfall. Hattie und Susan hatten gelacht, und Kate lachte mit ihnen. Heute schämte sie sich dafür. Heather hatte sie zunächst verwirrt angesehen, dann aber

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