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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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nach dachten die Eisenbahnleute sich die Namen bloß aus, ließen den Zug im Kreis fahren und hielten wechselnde Ortsschilder hoch, um die Pendler zu ärgern und deren Heimfahrt noch länger hinauszuziehen. »Das ist kein Zufall«, wiederholte er, als wollte er Kate ermahnen, ihm ja nicht zu widersprechen. »Also versuch gar nicht erst, mir das weiszumachen. Hier geht irgendwas Komisches vor, und es hat mit den Dingen zu tun, die du mir nicht erzählst. Du rast hier runter, fährst kilometerweit über Land, um noch eine von den bisher nie erwähnten ›Freundinnen‹ zu besuchen, und ehe ich mich's versehe, rufst du an und erzählst mir, dass sie sich ebenfalls umgebracht hat. Was zum Teufel ist hier los?«
    »Schhh!«, zischte Kate ihn warnend an, legte einen Finger auf die Lippen und deutete um sich, um ihn daran zu erinnern, dass sie in einem Dorf-Pub saßen, einem netten Lokal mit gutem hausgebrautem Bier und ambitioniertem Speisenangebot. Obgleich es nicht voll war, saßen doch einige wohlsituiert aussehende Paare hier, die Art Paare, die zueinander passende Fleece-Pullis von teuren Outdoor-Ausrüstern trugen. Folglich hatte Kate allen Grund, ihn zu ermahnen. Er war recht laut geworden, sodass andere sich zu ihnen umdrehten. Nun sah er wieder Kate an. Bei Gott, sie sah völlig fertig aus! Sie trug noch ihre Büroklamotten, und die dunkelgrüne Bluse machte sie noch blasser. Ihr Make-up war unter den Augen verschmiert, und ihr Haar hatte sich teils aus dem Pferdeschwanz gelöst. Die Strähnen hatte sie sich achtlos hinter die Ohren gestrichen.
    »Okay, also, bist du bereit zuzuhören?«, fragte sie in einem Ton, wie sie ihn auch einem Kleinkind gegenüber anschlagen würde.
    Neil nickte. Sie hatte ihn gerügt, und das bereitete ihm merkwürdigerweise ein gutes Gefühl.
    »Serena wurde von jemandem gequält, genau wie Hattie. Sie bekam anonym Sachen per Post geschickt.«
    »Was für Sachen?«
    »Das ist im Moment unwichtig. Es waren - nein, du findest das doch bloß idiotisch. Es hatte mit ihrem Gewicht zu tun.« Neil hatte den Eindruck, als wollte Kate ihre Freundin irgendwie beschützen. »Egal, jedenfalls hatte sie Angst. Schreckliche Angst. Sie war genauso verängstigt wie Hattie.«
    »Kate, du musst mir alles erzählen. Warum, wer, wo. Worum zum Teufel geht's hier eigentlich?«
    »Ich wünschte, ich könnte dir das sagen.«
    Kates Stimme war ruhig und ausdruckslos, fast ein Flüstern. Und Neil wusste, was diese Stimme zu bedeuten hatte. Sie war ein Warnsignal und deutete an, dass sie kurz vor dem Weinen stand. O Mist, er war zu schroff gewesen, zu barsch und ungeduldig! Er hatte sich von seiner Verärgerung leiten lassen, während Kate wahrscheinlich Unterstützung und Mitgefühl erwartete, kein Verhör. Neil legte seine Hand auf ihre und drückte sie. Gerade als er etwas Sanftes und Mitfühlendes sagen wollte, kam die Kellnerin mit seinem Teller Bratwurst und Kartoffelbrei mit Zwiebelsauce, und der Moment war vorbei.
    Kate wandte den Blick ab, zuerst zur Bar, dann durch den Raum. Anscheinend wollte sie vermeiden, das Essen zu sehen, das unheilvoll zwischen ihnen auf dem Tisch stand: die Sauce glänzend, die Würste fleischig prall in engen Häuten. Halb verhungert nahm Neil seine Gabel auf, legte sie dann aber wieder hin. Nein, sie mussten reden. Sofort. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich wollte dich nicht aufregen. Mir war nicht klar, wie nahe dir der Tod dieser Serena geht.«
    Kate lachte kurz, fast spöttisch, auf, kaum mehr als ein Ausatmen. »Nein, er geht mir nicht nahe, wirklich nicht. Eigentlich ist es weniger Serenas Tod, der mich bedrückt, sondern eher ihre Tochter. Stell dir vor, du wärst dreizehn Jahre alt und siehst deine Mutter tot vom Dachbalken hängen! Das arme Mädchen. Ich wusste einfach nicht, was ich tun oder sagen sollte.« Immer noch klang Kate ruhig und hatte sich unter Kontrolle. Sie rieb sich mit den Händen übers Gesicht und straffte die Schultern - eine entschlossene Geste, die Neil gut kannte. »Nein, Serenas Tod trifft mich nicht besonders. Ich war nicht mit ihr befreundet. Sie war vor allem Hatties Freundin.«
    Neil beobachtete Kate aufmerksam und spürte deutlich, dass einiges ungesagt blieb. Er schaute sich wieder im Pub um. Nach und nach waren Einheimische gekommen, die sich aber in eine kleine Nische, außer Hörweite, gesetzt hatten. Zumindest hoffte Neil, dass keiner von ihnen ihre Unterhaltung mithörte. Er wollte mehr erfahren, doch essen wollte er auch, also nahm

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