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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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aufgeknüpft in einer Schlinge.
    Kate griff nach Josies Hand. »Ist okay«, sagte sie sanft. »Ist schon okay.«
    »Sie haben wegen meiner Schule gestritten. Daddy wollte nicht, dass ich weiter auf die Lady Jane gehe. Er hat gesagt, das ist ›eine Scheißschule‹. Mummy war richtig wütend. Sie haben sich angeschrien. Sie wussten nicht, dass ich sie hören konnte. Sie dachten, ich wäre mit Jemima draußen, mit meiner Freundin. Ich glaube, Daddy hat Mummy eine Ohrfeige gegeben.«
     
    Die Tür, die von der Küche in den übrigen Teil des Hauses führte, flog plötzlich nach innen auf, als hätte jemand sie mit Wucht aufgeboxt, statt den Knauf zu benutzen. Ein massiger Mann von etwa fünfzig Jahren füllte den Türrahmen fast vollständig aus. Kate erkannte ihn von den Zeitschriftenfotos wieder: Serenas Ehemann George. Er trug eine Hose, die zu einem Nadelstreifenanzug gehörte. Der Bauch hing über den Bund; sein blaues Hemd war leicht verrutscht. Sein Krawattenknoten hatte sich gelockert und hing schief herunter; der Hemdkragen stand offen. Auf dem Foto hatte er mit seinem roten Gesicht gesund und kräftig gewirkt, ganz der Gutsherr aus dem Bilderbuch. Nun hingegen zeichneten sich die geplatzten dunklen Äderchen unter der blassen Haut auf Nase und Wangen deutlicher ab, und er sah nicht mehr ländlich feist, sondern marmoriert aus - wie jemand, der kurz vor einem Herzanfall steht.
    Einen Moment lang stand George ein wenig benommen in der Tür. Kate bemerkte, dass Josie sich nicht rührte. Bei seinem Erscheinen hatte sie ihm einen raschen, verstohlenen Seitenblick zugeworfen, dann aber gleich wieder weggesehen. Unterdessen starrte George Kate mit offenem Mund an, wollte dann aber anscheinend doch nicht aussprechen, was ihm auf der Zunge lag. Er ging zu Josie hinüber und legte ihr eine Pranke auf die Schulter. Kate schien es, als sei das Mädchen zusammengezuckt und leicht zur Seite ausgewichen, aber noch ehe sie entschieden hatte, ob das nicht bloß Einbildung war, lag Josie in Georges Armen und weinte bitterlich, während er ihr tröstend übers Haar strich. Dieses Bild zeigte so viel Trauer, Zuneigung und Gefühl, dass Kate dachte, sie müsse sich das Zusammenzucken wohl doch eingebildet haben.
     
    »Sie müssen diejenige sein, die meine Frau gefunden hat«, wandte er sich schließlich an Kate und klang fast, als wolle er sich entschuldigen. »Ich bin George.«
    »Kate«, stellte sie sich vor und schüttelte die Hand, die George ihr hinstreckte, als begegneten sie sich bei einer Gesellschaft.
    »Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie sich um meine kleine Prinzessin gekümmert haben.«
    »Ist schon okay. Es war ...« Sie verstummte, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Beinahe wäre ihr »Es war mir ein Vergnügen« über die Lippen gekommen, was ziemlich unpassend geklungen hätte. Also flüchtete Kate sich in eine hilflose Geste, denn ihr fiel beim besten Willen nicht ein, wie sie den Satz beenden könnte. Für Situationen wie diese hatte bisher niemand ein Benimmbuch geschrieben.
    Georges Blick wanderte zu dem Bündel von Zeitschriften- und Zeitungsausschnitten auf der Arbeitsplatte. Er nahm es in die Hand und blätterte es durch. »Ich fasse nicht, dass sie die aufbewahrt hat«, murmelte er mit belegter Stimme. »Wieder und wieder habe ich ihr gesagt, dass sie wunderschön ist, so wie sie ist.« Er lehnte sich an den Herd, und bei seiner nächsten Bemerkung vernahm Kate einen deutlichen Unterton von Trauer und Wut. »Der ist schuld. Der- oder diejenige trägt die Verantwortung.«
    »Was meinen Sie?«
    »Die Person, die ihr das hier geschickt hat.« Er schleuderte das Bündel auf den Fußboden. »Fast täglich kamen diese Ausschnitte mit der Post. Jemand hat sie absichtlich gequält und dafür gesorgt, dass sie unglücklich und unzufrieden mit sich wurde. Und wer das auch war, er hat sie auf dem Gewissen. Er oder sie hat meine Frau umgebracht.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Und wissen Sie was? Sie hat einen ihrer eigenen Vorhänge genommen. Dummes Ding. Sie hätte wissen müssen, dass draußen in der Scheune ein richtig gutes Seil liegt.«

DREIZEHN
     
    Das ist kein Zufall.« Neil sah Kate über den Pub-Tisch hinweg an. Nach der endlosen Fahrt von London Bridge, bei der der Zug in jedem Dorf und jeder Kleinstadt anhielt, war er müde und mürrisch. Von einigen Orten, in denen der Zug hielt, hatte er noch nie zuvor gehört, und er argwöhnte, dass es sie wahrscheinlich gar nicht gab. Seiner Meinung

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