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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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er erneut die Gabel in die Hand, bevor er sie abermals hinlegte. Er hatte noch mehr Fragen. Zunächst rückte er sein Glas auf dem Bierdeckel in die Mitte und überlegte, wie er möglichst schonend vorgehen konnte. Immer der Reihe nach, sagte er sich. Ein guter Journalist führte die Leute Schritt für Schritt durch ihre Geschichte. Man durfte nicht ungeduldig sein, nicht zu eilig nach vorn preschen. »Und warum bist du hier rausgefahren, um sie zu besuchen?«
    »Ich hatte sie auf Hatties Trauerfeier getroffen. Besser gesagt, sie sprach mich dort an. Sie wusste, dass ich dabei war, als Hattie starb, und sie wollte mit mir darüber reden.«
    »Und deshalb quälst du dich im Feierabendverkehr über die M 25?«
    »Ich habe doch nicht die M25 genommen!«
    Das war typisch Kate: Sie blockierte eine unangenehme Frage, indem sie halb scherzhaft auf Nebensächliches ablenkte. Diese Taktik war gleichermaßen liebenswert wie enervierend. Sehnsüchtig blickte Neil auf seine Würstchen mit Kartoffelbrei.
    Kate entging das offenbar nicht, denn sie seufzte. »Ach bitte, Neil, jetzt iss endlich! Du hast Hunger, also iss. Hör auf, mir Fragen zu stellen, und ich erzähle dir, was passiert ist.«
     
    Kate hasste es, wenn Neil auf Journalistenmodus schaltete, vor allem, wenn seine Fragen an sie gerichtet waren. Sie war zu erschöpft und aufgewühlt von den Geschehnissen, um ihm zu antworten, selbst wenn sie ihm hätte einen Gefallen tun wollen. Zuerst musste sie das Durcheinander in ihrem Kopf ordnen, indem sie die Ereignisse des Abends und der letzten Tage nacheinander durchging und nach einer Verbindung suchte, die einen Sinn ergab. Vielleicht tat sie das sogar am besten laut.
    »Auf Hatties Trauerfeier wirkte Serena verängstigt. Irgendwas im Zusammenhang mit Hatties Tod wollte sie mir unbedingt sagen oder mich fragen. Wie haben geredet, und ich glaube, sie war drauf und dran, mir etwas zu erzählen, aber dann wurden wir unterbrochen.« Kate versuchte, sich genau an das zu erinnern, was Serena gesagt hatte, konnte es nur leider nicht. Hatte sie nicht richtig hingehört? War da ein Hinweis gewesen? Sie wusste lediglich, dass Serena sich vollkommen anders verhalten hatte als das Mädchen, das sie zu Schulzeiten gekannt hatte, was Kate merkwürdig fand. »Und dann rief sie mich im Sender an. Heute Mittag. Ich war gerade draußen zum Mittagessen, und offenbar hat sie währenddessen gleich mehrmals angerufen, wollte aber keine Nachricht hinterlassen, außer dass ich sie zurückrufen sollte. Das habe ich gemacht. Und da klang sie noch viel verängstigter als gestern.«
    »Was hat sie denn gesagt?« Neil hatte den Mund voll mit Wurst.
    Kate bedeutete ihm mit einem strengen Blick, er solle sie nicht unterbrechen. Dabei war seine Frage durchaus hilfreich. Sie half Kate, sich zu konzentrieren. »Sie wollte wissen, ob Hattie vor ihrem Tod irgendwas gesagt hat, und wenn ja, was. Und sie hat gesagt, dass sie mich so schnell wie möglich sehen muss.«
    »Woraufhin du neugierig wurdest«, folgerte Neil, der nun leiser sprach.
    »Ja, das wurde ich.« Kate fragte sich, ob sie ihm noch mehr erzählen sollte, beispielsweise wie sehr sie sich wunderte, dass ausgerechnet Serena solche Angst gehabt hatte. Doch dann hätte sie die ganze komplizierte Geschichte ihrer Schulzeit aufrollen müssen, und dazu war Kate im Moment nicht bereit. »Ich dachte, dass ich von ihr erfahren könnte, was Hattie gemeint hat.«
    »Wir haben etwas Furchtbares getan.«
    »Genau. Ich dachte, Serena wüsste vielleicht, was Hattie mit dem ›Furchtbaren‹ gemeint hat.«
    »Du hattest gehofft, ›wir‹ in dem Satz wären Hattie und Serena, nicht Hattie und du.«
    Neils dunkelbraune Augen waren so voller Wärme und Zuneigung, dass Kate schon wieder losheulen wollte. Er war kurz davor, ihre verworrenen Gefühle zu verstehen, aber eben nur kurz davor.
    »Ja«, sagte sie. »Ich hatte gehofft, dass Serena mir etwas erzählt, was mich entlastet, aus dem ›Wir‹ entlässt. Dass sie mir ein großes Geheimnis verrät, sozusagen, mir sagt, was Hattie und sie getan haben. Dann hätte ich gewusst, wieso Hattie sich das Leben genommen hat, und wäre aus dem Schneider. Ich wollte von ihr hören, dass Hatties Tod nichts mit mir zu tun hatte. Dass es nicht an irgendwas lag, was Hattie und ich gemacht haben. Dass ich nicht für Hatties Tod verantwortlich bin.«
    »Selbstverständlich bist du das nicht.« Neil schob seinen Teller weg. Binnen Minuten hatte er fast sämtliche Würstchen mit

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