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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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»Du Punk, ich will Wu-Tang hören.«
    Jim gab klein bei, weil er immer dann von den Bahnhofstürken mit »Punk« angeredet wurde, wenn er ihnen auf die Nerven ging.
    Leo hatte sich noch immer keinen Zentimeter bewegt und spielte nun gegen einen der Daunenjackenträger Tekken. Als auch der verlor, versuchte es der andere Daunenjackenträger, danach sein Kumpel. Nur Leo blieb sitzen. Olli und Ben, zwei langhaarige Grufties, die immer schwarze, lange Ledermäntel trugen, hatten sich im Arbeitszimmer von Fabians Vater breitgemacht und versuchten, aus sechs Longpapers einen Riesenjoint zu drehen. In der Küche erzählten sich zwei Mädchen aus der Elften, welche Leistungskurse sie in der Kollegstufe belegen würden, und Michl, der eigentlich ein Mongo war und unter dessen Benetton-Sweater immer ein weißer Hemdkragen hervorlugte, versuchte mit dem ausgemergelten Langeder aus Milch und Wodka einen White Russian zu mixen. Nachdem Michl sich wie auf jeder Party übergeben hatte, ging ich nach oben. In Fabians Zimmer saßen ein paar Skater aus Meining und sahen sich ein Skatevideo an.
    Ich wollte mich etwas ausruhen und suchte das Zimmer von Fabians kleiner Schwester. Doch in dem |55| Moment, als ich die Tür zum Zimmer öffnen wollte, wurde mir die Klinke aus der Hand gerissen und Sina stand vor mir. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Schreck und Zorn und vielleicht war das der Grund, weshalb wir uns länger als nötig in die Augen schauten. Jedenfalls war ich mir ganz sicher, dass wir uns länger als normal ansahen. Als ich so etwas wie eine Entschuldigung murmeln wollte – etwas Passenderes fiel mir im Moment nicht ein   –, huschte sie mit einer Seitwärtsbewegung an mir vorbei und lief die Treppe hinab in den Lärm der Feier.
    Die Wand über dem Bett von Fabians Schwester war mit Take-That-Postern tapeziert. Auf der lila Bettwäsche saß Schenz gebeugt und rauchte eine Zigarette. Fast hätte die Situation etwas Vertrautes gehabt, doch die ganze Kindlichkeit um ihn herum ließ ihn wie eine gealterte Cartoon-Figur wirken.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Sie spinnt«, sagte er. »Sie will, dass wir das Geld zurückbringen. Sie sagt, es sei gestohlen und es sei böse.«
    »Böse? Was meint sie damit?«
    »Ja, so hat sie es ausgedrückt. Sie meint, es bringt nichts Gutes. Es ist geklaut und sie will damit nichts zu tun haben.«
    »Was soll sie denn damit zu tun haben? Sie war schließlich nicht dabei.«
    »Ich wollte ihr 300   Mark schenken. Damit sie sich Schuhe kaufen kann oder irgendwas anderes. Ich dachte, sie freut sich darüber. Stattdessen hat sie zu schreien angefangen, sie sei doch keine Nutte oder so was.«
    |56| »Wo ist sie hin?«
    »Keine Ahnung. Ist mir auch egal.«
    Was hätte ich denn in einem solchen Moment sagen sollen? Ich hatte schließlich keine Freundin und auch noch nie eine gehabt, nicht so richtig, zumindest. Wie sollte ich denn jetzt einen Freund von mir trösten, wo ich doch gar nicht wusste, wie das ist, Ärger mit der Freundin. Ich sagte: »Gehen wir was trinken?« Ich wusste nicht, ob das jetzt ein guter Satz gewesen war, aber immerhin nickte Schenz.
     
    Eine halbe Stunde und fünf Tequilagläser später war Schenz’ Ärger verflogen. Leo stand in der Küche, wo Michl jetzt Cola trank, und erklärte den Mädchen aus der Elften, dass es ihm selbst ziemlich egal sei, was mal aus ihm werde, und dass er immer noch sehr froh sei, nicht mehr auf der Drecksschule zu sein. Typen wie der Physiklehrer Jackl seien nämlich seiner Meinung nach Psychopathen, also krank auf jeden Fall.
    Schenz stand neben mir, und als er den Arm hob, sah ich eine neue Uhr an seinem Handgelenk.
    Von hinten spürte ich an meinem Ellbogen etwas Weiches. Als ich mich umdrehte, zuckte ich zurück. Das Weiche waren Brüste.
    Das Mädchen sagte: »Du bist doch der, der letztens so bekifft war.«
    Sie war einen guten Kopf kleiner als ich und blickte mich mit frechen Mandelaugen von unten herauf an. Ihr ganzes Gesicht hatte etwas Kindliches. Es war rund und wurde von rötlichem, dickem Haar umrandet. |57| Meine Augen wanderten hinab und ihr ganzer Körper war so gestaltet wie ihr kleiner weicher Kopf. Sie trug ein rot-weiß gestreiftes Hemd, das wie ein Kleid weit über ihrer Jeans hing.
    Ich sagte: »Kann sein«, und dann: »Ja.«
    Sie war das Mädchen von der Tankstelle.
    »Das war lustig«, sagte sie und dass ihr Name Carina sei.
    »Woher kennst du Fabian?«, fragte ich. Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    »Du lallst ja«,

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