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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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große Kopfhörer und jeder konnte sehen, dass Leo beschlossen hatte, Haare und Bart wachsen zu lassen.
    Jetzt, da er aufgehört hatte zu sprechen, wanderte sein Blick wieder in Richtung Horizont, wobei er einen fernen Punkt schräg darüber anvisierte, sodass sein Kopf leicht nach oben geneigt war. Leo konnte am meisten von allen kiffen. Fast täglich kam er mit etwas |61| Neuem an: Mal war es Gras und er sagte, es sei »White Widow« und nächste Woche käme vielleicht auch »Super Skank«. Mal hatte er ein beigefarbenes Stück bei sich, das schon bei einer leichten Berührung zu zerbröseln drohte. »Gepresste Pollen«, sagte er. Einmal hatte er auch ein Stück »Schwarzer Afghane« dabei. Leo erklärte, dass man einen Afghanen nicht mit dem Feuerzeug anzünden dürfe. Aus dem Afghanen müsse man eine Wurst machen, indem man das Stück zwischen Daumen und Zeigefinger sachte ausrollte. Die Wurst kam in einen Joint. Leo sagte, all das sei vom Zafko. Zafko, der Dealer mit der eigenen Wohnung drüben hinter den Gleisen im Hochhaus, dort wo all die Türken und Jugos wohnten.
     
    Zwei Wochen waren seit der Party bei Fabian vergangen. Wie die Tage zuvor trafen wir uns täglich an der Halfpipe. Mein Geldbeutel, er war mit einer Kette an meiner Gürtellasche befestigt, war jeden Tag gefüllt. Es waren Kleinigkeiten, die zuvor stets Mangel und somit wertvoll gewesen und nun im Überfluss vorhanden waren. Mal kaufte ich mir mehr Schokolade, als ich essen konnte. Den Rest warf ich weg oder drückte ihn irgendjemandem wortlos in die Hand. Mal fütterte ich Franz’ Flipper so lange mit Fünfmarkstücken, bis Flippernspielen langweilig geworden war. Mal gingen wir zu Ingrid in die kleine Eckkneipe und bestellten B52   s, dämliche kleine Schnäpse, die durch eine Mischung aus Kahlua und Baileys entsetzlich klebrig waren. In meiner Tasche war immer eine Schachtel |62| Zigaretten und in meinem Portemonnaie befand sich noch immer ein Bündel von mehreren staubigen Scheinen. Ich hätte mir gerne eine Playstation gekauft, aber das ging nicht. Meine Eltern hätten sich gefragt, woher ich das Geld hätte. Ich war gezwungen, es zu verplempern. Das ging bei Weitem schneller, als ich es für möglich gehalten hätte. Ein wenig war ich erstaunt, als ich es wieder gezählt hatte: Es war geschrumpft, von den ehemals zwölf Scheinen waren nur noch sechs vorhanden. Vielleicht wollte ich, dass es schnell wieder verschwand.
    Möglich, dass es den anderen auch so ging, aber Sam redete ja kaum. Leo träumte seine Dealerträume und die beanspruchten seine ganze Aufmerksamkeit. Schenz sahen wir kaum, weil er mehr Zeit denn je mit Sina verbrachte.
    Da Leo die letzten beiden Wochen bei Fabian gelebt hatte und Schenz so viel mit Sina rumhing, waren es meist Sam und ich gewesen, die bei Franz Pizza aßen und Flipper spielten. Sam hatte immer öfter sein Skateboard daheim gelassen. »Keinen Bock«, mehr hatte er nicht gesagt. Ich musste an das erste Jahr denken, als Sam neu in die Klasse gekommen war und gar nicht sprach. Allen anderen war er komisch vorgekommen, aber ich mochte Sam, gerade weil er nichts sagte. Alle anderen redeten ja die ganze Zeit.
     
    Leo war aus seinem Traum auf den Beton der Halfpipe zurückgekehrt.
    »Das wird richtig abgehen, das sag ich dir. Stell dir |63| nur mal vor. Ein Kilo, dafür brauche ich einen Monat. Aber das ist großzügig gerechnet. Vielleicht auch nur zwei Wochen. Aber gut, rechnen wir lieber mal mit einem Monat. In einem Monat kann ich also das zweite Kilo verticken. Und dann kaufe ich zwei. Damit verdoppelt sich auch mein Gewinn. Verstehst du? Das macht dann 6000   Mark Gewinn. 6000   Mark! Weißt du, was wir mit 6000   Mark machen können?«
    Ich grinste, weil mir nichts Besseres einfiel. Aber ehrlich gesagt wusste ich nicht, was wir mit 6000   Mark anfangen sollten, außer noch öfter Pizza bei Franz zu essen und noch mehr Geld in den Flipper zu stecken.
    »Was ist mit dir? Bist du dabei? Wir könnten das zusammen aufziehen. Wenn wir uns die Arbeit teilen, kommen wir noch schneller richtig ins Geschäft. Später kann man ja vielleicht auch auf Tickets und Pillen umsteigen. Meinetwegen auch Koks. Damit lässt sich nämlich richtig Kohle verdienen. Der Zafko ist da selbst noch am Anfang. Aber er hat ab und zu was   …«
    Leo hielt inne. Plötzlich standen Sam und Schenz vor uns. Vor lauter Reden hatten wir sie nicht kommen gesehen. Sie kicherten und ihre Augen waren so rot wie die zweier

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