Irgendwann passiert alles von allein
weiß nicht, was das bringt. Der Strasser hat doch auch Leute. Das bringt doch alles nix.« Er blickte auf den Beton vor ihm und ließ den Kopf hängen.
Dann sagte Sam plötzlich etwas mehr so nebenbei. Er sagte: »Vielleicht weiß der Strasser von dem Haus.«
|87| Wir blickten uns gegenseitig an. Schenz mit seinem verbeulten Auge, Leo mit seinem kampfeslustigen Blick, ich mit zusammengepressten Kiefern und Sam, als sei er die Hauptfigur in einem etwas brutalen, aber immerhin aufregenden Cartoon.
Und dann sagte erst mal keiner mehr was.
»Kann nicht sein!« Leo hatte sich eine Zigarette angezündet und ich suchte in meiner Hosentasche nach meiner Packung. »Das kann nicht sein. Er kann es nicht wissen. Woher denn?«
Niemand beantwortete seine Frage. Sam blickte zu Boden. Und deswegen sah er gerade sehr verdächtig aus. Vielleicht hat er es jemandem erzählt, vielleicht war es gar nicht meine Schuld. Ich hatte niemandem, auch nicht Sam, von der Geschichte auf Fabians Party erzählt. Außerdem Carina … sie … all das hatte sie gar nicht interessiert … Vielleicht hatte sie den Brief gelesen, aber von dem Geld hatte ich bestimmt kein Wort gesagt.
»Sam?«, fragte Leo und seine Stimme klang wie die von Chuck Norris. »Hast du jemandem was gesagt?«
»N-n-nullinger. K-k-kein Wort. Ich h-h-hab nix gesagt. K-kein Wort. Ich schw-schwör’s«, sagte Sam so leise, dass man ihn kaum verstand.
»Was ist mit S- S-Sina ?«, fragte er, und weil das plötzlich aggressiv klang, war Schenz überrascht. »Sina wusste von Anfang an Bescheid. D-du hast ihr doch alles erzählt!«
»Sie ist meine Freundin, natürlich erzähl ich ihr das. |88| Ich … ich muss es ihr erzählen. Aber sie … Sie hält dicht. Natürlich hält sie dicht. Was denkst du überhaupt, Arschloch!«
»W-w-wie kannst du dir da so sicher sein? S-s-sie mag Leo nicht, sie mag mich nicht, sie steht auf Typen mit Autos. Woher weißt du, dass sie es nicht irgendjemandem erzählt hat?«
»Weil sie meine Freundin ist, verdammt noch mal!« Schenz schrie. »Weil sie das nicht tun würde. Und was soll eigentlich der Scheiß mit den Autos? Ich habe gar kein Auto. Außerdem: Was weiß ich, wem ihr das alles erzählt habt. Fabian weiß doch auch Bescheid, oder?« Schenz sah Leo an. »Und du, Johannes, du warst auf Fabians Party so dicht, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst, hast du selbst gesagt. Vielleicht hast du es jemandem im Suff gesagt. Lasst Sina aus dem Spiel, verdammt! Ich vertrau ihr, okay? Ich vertrau ihr …« Er schüttelte seinen ramponierten Kopf.
»Ich habe nix gesagt«, sagte ich leise und dachte noch »glaube ich«.
Dann schwiegen wir und rauchten. Die S-Bahn donnerte über die Gleise. Sie wurde leiser, es wurde dunkler, der Rauch unserer Zigaretten kringelte sich durch die Nacht. Ich erkannte das Sternbild Orion, das einzige, das ich kannte.
»Wir müssen wieder rein«, sagte Leo leise doch resolut, als spreche er lediglich eine Notwendigkeit aus, über die es nicht das Geringste zu diskutieren gäbe.
»W-w-was?«, fragte Sam.
»Wir müssen wieder rein. Wir können nicht das |89| Risiko eingehen, dass jemand von dem Haus weiß und vielleicht noch mehr Geld da rausholt.«
»Spinnst du? Gerade jetzt ist es wahnsinnig riskant. Strasser und wahrscheinlich noch mehr Leute wissen von dem Haus«, sagte ich. »Was ist mit all den anderen, die vielleicht was gespannt haben? Franz zum Beispiel. Hast du nicht gesehen, wie misstrauisch er war? Was ist, wenn jemand zur Polizei geht? Was ist, wenn das alles rauskommt?«
Wir hatten in den letzten Tagen kein einziges Mal mehr über das Haus gesprochen. Einmal hatte ich es noch Sam gegenüber erwähnt, der sonst selbst so viel davon erzählt hatte. Er hatte diesmal nur »Maul halten« gesagt und mit vorgehaltener Hand gekichert.
»Du kapierst es nicht!«, sagte Leo. »Wenn irgendjemand von dem Haus weiß, dann wird er da reinwollen und das restliche Geld rausholen. Niemand geht zur Polizei, wenn er die Aussicht auf ein paar Tausend Mark hat. Es geht jetzt nur darum, wer das Geld rausholt. Wir oder der Strasser und seine Spasten.«
»Ich weiß nicht«, sagte Schenz. »Ich glaube, Johannes hat recht. Es war eine coole Sache, aber langsam wird es unheimlich.«
»Schenz«, beschwor ihn Leo. »Schenzi, denk doch mal nach. Wir gehen noch ein Mal rein und räumen den Laden leer. Ein Nachmittag, eine halbe Stunde, in der wir richtig suchen. Da drin ist noch mehr. Du brauchst dir die Uhr
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