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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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Keks fallen, ich hörte auf zu grinsen und Leo wich zwei Schritte zurück. Er stand jetzt mit dem Rücken am Küchenfenster. Die Axt sauste zwischen Sam und mir hindurch und traf donnernd auf das Sperrholz des grau melierten Küchentischs. Eine mit Schimmel überzogene Kaffeetasse schwappte über.
    »Wir machen das hier zusammen, okay? Wir sind zusammen reingegangen, wir teilen alles, was wir hier finden, okay?«
    Leo, mit dem Rücken zum Fenster, grinste schelmisch, nachdem der Schreck aus ihm gefahren war. Schenz trug noch immer seine Sonnenbrille und hielt die Axt in der Hand. Er sah wirklich aus wie der Terminator.
    »Schenz, mach dich locker. Ganz locker. Das war bloß Spaß, okay? Ist ja wohl klar, dass wir teilen. Was denkst du denn von mir? Glaubst du vielleicht, ich zocke meine Freunde ab?«
    Schenz brummte, aber erst als Leo die Plastiktüte auf den Küchentisch legte, ließ er die Axt fallen.
    Leo griff in die Tüte und begann die Geldscheine der Reihe nach auf vier Stapel zu verteilen. Gebannt starrten wir auf die stetig wachsenden Haufen.
    Jeder von uns ließ nach gedehnten zehn langen Minuten 150   Hundertmarkscheine in seiner Tasche verschwinden.

|114| Elf
    Bevor wir das Haus verließen, machte Sam noch was Eigenartiges. Wir waren in dem leeren Zimmer mit der Terrassentür. Schenz stand bereits mit einem Fuß auf der Terrasse, als Sam plötzlich sagte: »Wartet mal kurz.« Er drehte um und lief die Kellertreppe hinab.
    Verdutzt zündeten wir uns eine Zigarette an. Sam machte ja eigentlich nie was wirklich von sich aus, meistens machte er das, was alle taten. Keiner von uns sprach ein Wort. Leo zog mit einem selbstverliebten Lächeln so stark an seiner Zigarette, dass er sie heiß rauchte und die Glut gute drei Zentimeter lang war. Schenz tippelte unruhig von einem Fuß auf den anderen und ich hatte das Bedürfnis, irgendetwas Auflockerndes zu sagen, doch mir fiel nur Schwachsinn ein. Eigentlich wollte ich nur weg von hier. Ich betastete meine Taschen. Sie waren so prall mit Papier gefüllt, dass ich Angst hatte, etwas könne mir beim Gehen hinausfallen. Ich stopfte Geld und Briefe tiefer hinein, zog die Kapuze meines Pullovers über den Kopf und fragte: »Was machen wir jetzt? Sollen wir saufen?«
    Niemand antwortete. Wieder zogen wir alle an unseren Zigaretten und jeder blickte in eine andere Richtung |115| des Raumes. Dann kam Sam zurück. Sein Blick war wirr, er schwirrte nach Halt suchend durch den Raum und fand doch nichts. Sein Rücken war gebeugt wie der eines Buckligen und auf seiner Stirn hatten sich kleine Schweißperlen gebildet.
    »Was wolltest du denn da unten?«, fragte Leo.
    Sam antwortete nicht. Er ging durch die Tür ins Freie, und als er bemerkte, dass wir drei uns noch nicht bewegten und stattdessen die letzten Züge unserer Zigaretten rauchten, drehte er sich um, steckte seinen Kopf in das Zimmer und zischte: »W-w-was ist? Gehen wir! Gehen wir! Raus jetzt, raus jetzt!«
    Wir traten unsere Zigaretten auf dem Beton aus und verließen das Haus. Für immer, dachte ich. Wir stapften über den Rasen, traten Löwenzahnblumen um, deren Saft Flecken auf unseren Hosenbeinen hinterließ. Schließlich schlüpften wir durch den kleinen Spalt in der Hecke zurück ins Freie. Wir gingen im Laufschritt die Blumenstraße hinunter, wir sahen uns nicht um, wir sprachen kein Wort miteinander. Schenz lief voran, er hatte seine Sonnenbrille noch kein einziges Mal abgesetzt, ihm folgte der schwitzende Sam. Ich lief hinter Leo mit seinem verdammt selbstherrlichen Gang und versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
    Wir bogen um die Ecke und auf einmal stand sie da, mit diesem Tier an der Leine, das uns mit seinen großen schwarzen Hundeaugen anstarrte und die Nase nach oben reckte. Sie war etwa 60   Jahre alt, trug einen blaurot gescheckten Kittel, wie ihn alte Hausmeisterinnen tragen. Sie blieb stehen, als sie uns sah. Das Tier war |116| auf den zweiten Blick eher klein, es war ein Dackel oder so was. Ich glaubte, Frau und Hund neugierig schnuppern zu sehen.
     
    Der Junge mit der dunklen Sonnenbrille und der schmächtigen Gestalt drängte sich an ihr auf dem Bürgersteig vorbei. Der nächste, ein verschüchterter Baseballcap-Träger, sprang beinahe einen Meter vom Bürgersteig auf die Straße und schlich vorüber. Ihm folgte ein breiter, kraftvoll wirkender Mensch, der der Frau auffordernd frech direkt in die Augen blickte. Der Hund bellte. Die Frau zog an der Leine und zerrte das Tier mit sich weiter. Als

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