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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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Autos, Frauen«, er lachte kurz, »alles, wir kaufen einfach alles!«
    Und da hatte Schenz natürlich recht, aber was ich meinte, war ja eher, dass was zu kaufen nicht ganz so aufregend ist, wie was zu klauen. Ich wollte einen Wagen nehmen, aber wir hatten keine Mark, um ihn aus der Schlange zu lösen. Also liefen wir durch die bunten Gänge und packten alles, was uns annähernd ansprach, klemmten es unter unsere Arme und gingen damit zur Kasse. Auf das Laufband legten wir ein Sixpack Bier, eine Palette Jägermeister, sechs Schachteln Zigaretten (rote Gauloises, Marlboro Light und für Schenz zwei Packungen Davidoff zu acht Mark die Schachtel), Mohrenköpfe, Gummibärchen, Paprikaecken und Zwiebelringe, Kaugummi und einen Playboy.
    |120| »Ich zahl«, sagte Schenz und zog einen Schein aus der Hosentasche. Die Kasse ging auf, der Schein wurde zu den anderen Hundertmarkscheinen gelegt, mit einer Plastikgabel eingeklemmt und gegen weniger, aber sauberes Geld eingetauscht. Sam nahm das Bündel aus Scheinen und Münzen entgegen und stopfte alles in die große, volle Tasche seiner beigen Baggy. Dann gingen wir zur Halfpipe.
     
    »H-h-hat jemand noch was zu rauchen?«, fragte Sam, als er eine Flasche Becks aus dem Sixpack herausriss. Der Kronkorken ploppte und wirbelte durch die Luft, um dann mit einem Klirren auf dem Teer zu landen.
    Wir schüttelten den Kopf. Jetzt, wo Leo weg war, saßen wir auf dem Trockenen.
    »Fabi könnte was haben«, sagte ich.
    »Verkauft der was?«, fragte Schenz.
    »Eigentlich nicht. Er sagt immer, er hat keinen Bock zu dealen. Aber vielleicht machen wir ihm einen Preis, bei dem er nicht Nein sagen kann.«
    Schenz kicherte wie ein kleiner Junge. Unsere Flaschen klirrten, als sie mit dem Bauch aneinanderschlugen. Etwas Bier schwappte über meine Hand. Wir legten uns mit dem Rücken auf den Asphalt. Rund um uns herum lagen Zigarettenschachteln, Jägermeisterpatronen und all der andere Krempel. Rücklings rauchten wir Zigaretten und richteten uns nur kurz einmal auf, um einen Schluck Bier aus der Flasche zu nehmen.
    |121| »Ich habe morgen Lateinklausur«, sagte ich. Ich musste lachen. Schenz prustete.
    »Was für ein Scheiß.«
    »Ich glaube, ich geh nicht hin. Ich mach blau und wir fahren in die Stadt oder saufen einfach nur.«
    In diesem Moment fiel irgendwas von mir ab. Es war so ein Gefühl wie in dem McDonald’s, aber irgendwie allgemeiner. Ich meine, ich spürte so was wie echte Freiheit. Die anderen, die mit den cooleren Klamotten, die mit den besseren Noten, die, die besser skaten konnten oder einen Golf GTI hatten – die waren wirklich egal geworden. Wir waren Freunde und wir hatten Geld. Jetzt fing alles erst an.
    »Meint ihr, er kommt zurück?«, fragte ich.
    »Ist mir egal«, sagte Schenz.
    »H-hat nichts mehr, was ihn hält. Keine Schule, keine Lehre, kein Zuhause.«
    »Fang halt zu weinen an«, sagte Schenz. »Er ist doch selbst an allem schuld. Ich glaube, der ist bald zurück. Das Geld ist bei dem schneller weg, als ihr denkt. Dann wird er ankommen und uns anbetteln. Ich sag’s euch.«
    »Jägermeister«, sagte Sam, richtete sich auf und griff nach der Palette vor ihm. Er warf Schenz und mir eine kleine Flasche zu, die auf unseren Bäuchen landete.
    »Sag mal, Sam. Was hast du eigentlich im Keller gemacht?«, fragte Schenz.
    »K- K-Keller ?«
    »Ja, warum bist du überhaupt noch mal da runter? Und warum warst du so komisch danach?«
    |122| »K-k-komisch?«
    »Ja, k-k-komisch. Jetzt wiederhol doch nicht immer alles, was man sagt.«
    Sam blickte kurz nach rechts und dann nach links, als wolle er sich vergewissern, dass uns niemand belauschte. Dann beugte er seinen Kopf in unsere Richtung und flüsterte:
    »K- K-Knochen !«
    »K- K-Knochen ?«, wiederholte Schenz.
    »K- K-Knochen !«
    »K- K-Knochen .«
    »K-könnt ihr jetzt bitte mal aufhören, alles ständig zu wiederholen?«, sagte ich. »Was für Knochen? Hühnerknochen? Hundeknochen? Menschenknochen? Was waren da für Knochen?«
    Sam holte einen weiteren Jägermeister aus der Palette heraus, schraubte ihn auf und trank ihn aus.
    »K- K-Knochen eben. Da waren K- K-Knochen . In dem Schutthaufen habe ich gewühlt. Wollte nachsehen, was da drunter ist, mit dem Sp-Sp-Spaten. Habe gegraben und dann waren da p-p-plötzlich K- K-Knochen .«
    Manchmal war sein Stottern unerträglich.
    »Aber du hattest doch keine Lampe dabei. Wie willst du da überhaupt was gesehen haben?«, sagte Schenz.
    Sam sah ihn fragend an.
    »Mach dich mal

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