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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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locker. Das hast du dir eingebildet. Das war viel zu dunkel, um K- K-Knochen zu erkennen.« Schenz stand auf und klopfte Sam dreimal auf die Schulter, als sei er ein Hund, den man ein bisschen |123| tätscheln müsse. »Du k-k-kiffst vielleicht einfach zu viel.«
    »M-m-mach m-mich nicht immer nach. Wenn du st-st-st-sto-, st-stottern würdest, fä…«, er verschluckte die nächsten paar Wörter, »…   nicht lustig.«

|124| Zwölf
    Milch. Ich trank einen Liter Milch. Frische, weiße, leicht süßliche Milch. Dann legte ich mich ins Bett und zog mir die Decke bis ans Kinn. Ich war erschöpft, doch in dieser Müdigkeit lag eine Spannung, die mich nicht einschlafen ließ. Nachdem ich mich eine halbe Stunde im Bett gewälzt hatte, an das Geld, das Haus, Leo und Knochen gedacht hatte, schaltete ich den Fernseher an und rauchte eine Zigarette. Ich hielt mich fest an ihr, während all das andere mich nach unten zu ziehen schien, um mich in einer gigantischen Welle fortzureißen und an irgendeiner anderen Stelle in diesem Universum wieder auszuspucken. Ich hatte den Ton des Fernsehers auf stumm gestellt, so wie Sam es immer tat, wenn er einschlafen wollte. Er hatte sich das selbst bei einem Dauerkiffer abgeschaut, bei dem er eine Zeit lang überteuertes Gras gekauft hatte. Der hatte behauptet, die tonlosen Bilder stimulieren im Schlaf das Unterbewusstsein und öffnen Schleusen zum Ich oder so was. Während ich an den Dauerkiffer dachte, der mich immer irgendwie an einen Maulwurf erinnert hatte, sah ich den Nachrichtensprecher im Fernsehen reden, aber verstand natürlich kein Wort. Ich dachte mir, wie cool |125| es wäre, wenn man immer, wenn einen jemand nervt, den Ton abstellen könne. Wenn es eine Mute-Taste für Lehrer, Eltern, Hausmeister und alle Arschlöcher gäbe. Das wäre nämlich verdammt witzig, weil der Nachrichtensprecher in seiner Ernsthaftigkeit auch gerade witzig aussah, eben weil ich gar nicht verstand, was er sagte. Und dass das an Sam eben auch irgendwie gerade cool war, dass er so wenig redete. In der Schublade meines Schreibtisches lagen über 15   000   Mark und Leo war auf dem besten Weg   … Wo war Leo überhaupt hingegangen? Was sollte dieser komische Mafiosi-Abschied? Und was hatte er eigentlich gesagt? Die ganze Zeit hatte er über Zafko und Kommi und Kilos geredet. Er wollte Dealer werden, er meinte es ernst. Und was war mit Sam los? Er hatte dort unten im Keller keine Knochen gesehen. Schließlich war das kein Horrorfilm, sondern Realität. Ich hätte gerne mit jemandem gesprochen, mit einem Freund, einem normalen, oder mit einer Freundin. Ich dachte an Sina und irgendwann beim Denken schlief ich ein.
     
    Am nächsten Nachmittag war ich alleine auf dem Weg zur Halfpipe. Sam hatte ich nicht erreicht, Leo war weg und Schenz hatte wie immer keine Zeit. Ich hatte mein Skateboard dabei und wollte endlich wieder alleine Tricks üben, ohne zu kiffen und ohne zu trinken. Zehn Scheine hatte ich in meine Hosentasche gesteckt, den Rest in der Schreibtischschublade gelassen. Mir war unwohl bei diesem Versteck und ich hatte mir vorgenommen, bald nach einem besseren Ort zu suchen.
    |126| Ich ging gerade durch die kühle S-Bahn -Unterführung und versuchte im Vorbeigehen das eine oder andere Tag auf den Wandfliesen zu erkennen. Aber die meisten der Zeichnungen waren Schwänze und Muschis, nur ab und zu war ein Schriftzug darunter. Über mir hörte ich eine S-Bahn halten. Leute strömten die Treppe hinunter, bogen nach links und rechts ab. Und in diesem Gewühl aus Haut und Anzügen, Aktenkoffern und hastig im Gehen angezündeten Zigaretten sah ich sie. Sie schritt die Treppe vom Bahnsteig herab und in zwei Sekunden würden wir direkt ineinander laufen, wenn nicht einer von uns vorzeitig die Richtung wechselte. Ich erschrak, als ich sie sah, weil sie mich aus meinem Gedankentrott herausriss und ich nun etwas Charmantes oder zumindest etwas Sinnvolles sagen müsste. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid mit Spaghetti-Trägern. Die blonden Haare fielen offen über ihre Schultern und auf ihrer Nase saß eine schwarze Sonnenbrille. Ich trug meine viel zu weite Hose und ein hellblaues T-Shirt . Ich war ein Junge, sie war so was wie eine Frau. Ich meine, sie sah aus wie eine. Ich versuchte, verschmitzt zu lächeln, weil ich glaubte, dass so eine Art von Lächeln gar nicht schlecht ankam. Außerdem fiel mir auch gar kein anderer Gesichtsausdruck ein. Doch sie schien mich nicht zu sehen. Vielleicht war es in der

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