Irgendwas geht immer (German Edition)

auch noch diesen Haarstress an den Hals hängen!
    Ich hab so was von die Schnauze voll, es wieder und wieder erklären zu müssen. Aber okay, ein einziges Mal noch, und hör gut zu, dumme Nuss: ICH MUSS MEINE HAARE SO TRAGEN ! Wenn du in meiner bescheuerten Schule braune, lockige Haare hast, redet keiner mit dir. KEIN SCHWEIN ! Ende der Ansage. Du bist wie eine Aussätzige. Der absolute Oberarsch. Du bist der aussätzige braunhaarige Oberarsch. Da kannst du dich auch gleich ins Bett legen und einsam sterben, denn genau das wird so oder so mit dir passieren. Also, Mum, such’s dir aus – blonde Haare oder tot, was ist dir lieber?
    Vielleicht wäre es dir ja lieber, wenn ich sterben würde. Dann müsstest du meine grauenhaften »Strohhaare« nicht länger ertragen. Ja, genau, damit wäre dein mieses Leben doch gleich viel schöner. Gib’s zu, dann könntest du dich endlich auf deine Arbeit und deine Schreiberei stürzen, ohne ständig von diesem widerwärtigen Geschöpf – wie hieß das noch mal? Ach ja, TOCHTER ! – abgelenkt zu werden.
    Tut mir leid, dass ich überhaupt geboren wurde. Tut mir leid, dass ich atmen muss und Sauerstoff verbrauche. Tut mir leid, wenn ich mit meinen blonden Haaren, meinem Gesicht, meinem ekligen Körper, den du so widerlich findest, und allem anderen deine Augen beleidige. Ist es schon zu spät, im Kinderkatalog nachzuschlagen und sich eine perfektere Tochter auszusuchen? Hmm, wenn nicht, könntest du mich ja zurückschicken und dir eine wunderschöne Tochter mit perfekten braunen Locken bestellen, die wie eine Klobürste auf zwei Beinen aussieht und perfekt zu dir und deiner perfekten Familie passt, in der alle super und ohne irgendwelche Fehler und Makel sind. Eine Kinderpsychotante darf doch kein Kind mit so einem widerlichen Makel haben. Nie im Leben! Blondes Haar – wie abartig!
    Und hör auf, mich als »Plastikbarbie« zu bezeichnen. Ich bin nicht aus Plastik. Kann sein, dass es von außen so aussieht, aber das bin ich nicht. Eine echte Barbie ist auch von innen Barbie, und genau das bin ich aber nicht, was du auch wüsstest, wenn du dir mal die Mühe machen und genauer hinsehen würdest. Innen drin, Mutter, bin ich VÖLLIG NORMAL . 143-prozentig echt. Kannst du das auch von dir behaupten?

VIERZEHN
    OSCAR
    Wer hätte gedacht, dass sich ein winzig kleiner Fehler als das Tor zu meinem persönlichen Nirwana entpuppen könnte? Wer hätte je ahnen können, dass sich ein solches Wunder an einem gewöhnlichen Donnerstag ereignen könnte? Und noch dazu in Pangbourne! Doch dränge mich nicht – ist Ungeduld doch der Erzfeind der Freude, und ich muss Gelegenheit haben, dir das heutige Wunder in voller Gänze darzulegen, liebes Tagebuch.
    Die liebe Mama ist so ein wunderliches Geschöpf. Ich kann nur staunen, mit welcher Hartnäckigkeit sie sich gegen die neumodische Technologie zur Wehr setzt. Auch ich habe mich stets nach Kräften bemüht, mich nicht von ihr geißeln zu lassen; jedoch habe ich mich letzten Endes dem Unvermeidlichen gebeugt und mich entschlossen, mir die Vorteile, die so ein Computer mit sich bringt, zunutze zu machen. Nun, sind wir in diesen verwirrenden Zeiten, die wir so bereitwillig als »modern« bezeichnen, nicht alle mehr oder minder Barbaren? Ich denke, ja, und offen gestanden bin ich nicht gerade versessen darauf, mir den Zorn meines IT -Lehrers Mr Gilicone zuzuziehen. Stattdessen ist es ratsam, ihn nicht gegen sich aufzubringen, denn einmal in Rage geraten, stellt er eine enorme Gefahr dar und kann einem das Leben mit unablässigen Strafarbeiten, Nachsitzen und Pausenverboten zur reinsten Hölle machen. Immerhin sind die Pausen die einzige Gelegenheit für mich, mich mit den Mitgliedern aus dem Kreis der Zauberhaften zu treffen.
    Oho, was ist denn das?, höre ich dich, liebes Tagebuch, bereits rufen. Wer ist der Kreis der Zauberhaften? Nun, da es sich bei dem Kreis der Zauberhaften um eine exklusive, geheime und elitäre Gemeinschaft handelt, steht es mir eigentlich nicht zu, dir davon zu erzählen. Doch in der Gewissheit, dass diese Kritzeleien eines Tages, wenn ich aller Welt bekannt sein werde, in einem hübschen Band zusammengefasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sollte ich es dir nicht vorenthalten. Aber schwöre mir, dieses Wissen eisern für dich zu behalten! Lautet doch das Motto dieser wunderbaren Vereinigung semper arcanus, was nichts anderes bedeutet, als dass keiner von uns über den Kreis der Zauberhaften sprechen darf,