Irgendwas geht immer (German Edition)
versüßen?«
FÜNFZEHN
DORA
Oh mein Gott! Mein Bruder ist der größte Schwachkopf aller Zeiten. Mum sagt, er sei nur ein bisschen exzentrisch oder so, aber, ich meine, wie peinlich kann ein Bruder sein? Ich fasse es nicht, dass wir verwandt sind. Vor allem heute. Er hat ein Riesenfass aufgemacht, wer heute dran ist, Mums Patientenakten aus der Praxis abzuholen. Was für ein Idiot. Und als dieser neue Praktikant auftauchte und sie uns brachte, stand mein Bruder da wie eine Kuh, wenn’s blitzt, und bekam kein Wort heraus. Herzlichen Dank, Peter, dass du mir allein das Reden überlassen hast. Ich meine, der Typ wollte doch nur nett sein.
Der Kerl ist Australier oder so was, jedenfalls sieht er wie Crocodile Dundee aus. Und redet auch so.
»Wow, du bist ja so groß. Damit hatte ich hier in England gar nicht gerechnet. Keine Ahnung wieso«, sagte er zu Peter.
Hallo? Was hat der Typ erwartet? Zwerge?
»Ist eure Mum auch so groß?«
Peter hat nicht darauf geantwortet. Er hat überhaupt nichts gesagt, sondern ihn nur angestarrt, als wäre er ein beschissener Goldfisch oder so was, deshalb musste ich einspringen.
»Ja, sie ist sehr groß. Wie ein Hochhaus.«
Zum Glück hat er gelacht, denn Mum meinte, wir sollen nett zu ihm sein, weil sie ein ganzes Jahr lang mit ihm zusammenarbeiten müsse oder so was.
Und dann gibt es noch ein Mädchen in der Praxis, Veronica, die mit George zusammenarbeiten soll. Sie ist echt superhübsch und so. Eigentlich sollte Mum ja eher sie kriegen, und dieser Noel sollte mit George arbeiten. Keine Ahnung, wieso sie es umgekehrt gemacht haben.
Man sieht, dass George total darauf steht, vor Veronica anzugeben – er sieht sie immer so an, wie er es manchmal macht, so über die Brille hinweg, so als wäre man der einzige Mensch, der ihm etwas bedeutet. Mit mir hat er das auch schon mal gemacht, und ich war echt nervös. Echt gruselig. Ich glaube, er hängt einfach nur gern den Wichtigen raus. Nach dem Motto: »Ich bin der Boss hier, und du tust, was ich dir sage, verstanden?« Pff, mein Boss ist er jedenfalls nicht, und außerdem: Hallo George, rein zufällig kenne ich deine Frau, schon vergessen? Sie hat mir nämlich damals bei diesem Shakespeare-Projekt in der Zehnten geholfen. Sie ist supernett, deshalb finde ich es echt scheiße, wie du ständig auf Veronicas Megamöpse glotzt. Du blöder Wichtigtuer! Da ist ja mein schwachköpfiger sechzehnjähriger Bruder noch reifer. Benimm dich gefälligst wie ein Erwachsener. So wie Dad. Der würde nicht mal im Traum daran denken, sich so aufzuführen. Vielleicht weil er es nicht nötig hat, sich ständig vor allen Leuten wichtig zu machen. Ihm ist es schnurzegal, wenn ihn keiner bemerkt. Im Gegenteil, er findet es sogar gut.
Heute Abend hat Dad Fajitas gemacht. Oh Mann, ich kann gar nicht sagen, wie ich dieses Zeug liebe . Wenn es ginge, würde ich eine Fajita heiraten. Hmm, lecker. Und Fajitas sind nicht nur lecker, sondern enttäuschen einen nicht und lassen einen auch nicht hängen.
Heute habe ich Sam gesehen. Er war in der Mittagspause in der Bäckerei und hat sich ein Würstchen im Blätterteig gekauft. Oh Mann, das haben wir früher immer zusammen gemacht. Er hat sich immer das dunkelste von allen ausgesucht, das schon halb angekokelt war. Die mag er am liebsten. Sie sind die Verstoßenen der Würstchengesellschaft, hat er immer gesagt, die Ungeliebten, die niemand haben will, als hätten sie ein schlimmes Verbrechen gegen den Blätterteig begangen oder so was.
Sam hat sich immer gegen Ungerechtigkeit eingesetzt. Das ist einer der Gründe, wieso ich mich in ihn verliebt habe, obwohl Kitty Cook, die Super-Barbie in meiner Klasse, meinte, er sei ein totaler Penner. Dabei kennt sie ihn überhaupt nicht, außerdem interessiert sie sich sowieso nur dafür, wie jemand aussieht. Ich meine, wie oberflächlich ist das denn? Aber sie ist und bleibt eine Barbiepuppe, und Barbie-Regel Nummer eins lautet: oberflächlich sein. Tiefgang, nein danke! Aber darauf habe ich keine Lust. Ich mag zwar blond sein, das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich oberflächlich sein muss …
Jedenfalls war es echt schräg, Sam wiederzusehen. Keine Ahnung, es war irgendwie so, als wüsste er genau, dass ich da bin, könnte aber nicht zu mir herübersehen. Er zog sein Handy heraus und fing an zu telefonieren, nur damit er nicht mit mir reden muss. Er tat so, als hätte es gerade geklingelt, aber das stimmte gar nicht. Sonst hätte ich seinen Klingelton hören
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